Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
Krankheit?«
Ich wurde rot. »Was? Nein! Natürlich nicht!«
»Bist du sicher?«
»Ich habe an der Mediho studiert«, erklärte ich ein wenig steif, »der bedeutendsten Schule für Medizin auf der ganzen Welt. Ich weiß alles über die Krankheiten, die man sich einfangen kann, und auch wie man sie erkennt und behandelt.«
Penthe musterte mich skeptisch. »Dir glaube ich ja auch gern. Aber es ist bekannt, dass die Barbaren sich bei der Liebe oft mit Krankheiten anstecken.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist nur wieder so ein Märchen. Ich versichere dir, die Barbaren haben nicht mehr Krankheiten als die Adem. Wahrscheinlich sogar weniger.«
Penthe schüttelte den Kopf und sah mich ernst an. »Nein, da irrst du dich. Wie viele von hundert Barbaren haben deiner Einschätzung nach eine solche Krankheit?«
Die Frage war leicht zu beantworten, denn ich hatte an der Mediho auch Statistik gehabt. »Von hundert? Vielleicht fünf. Bei denen, die in Bordellen arbeiten oder welche besuchen, ist die Rate natürlich höher.«
Penthes Gesicht zeigte deutlich ihre Missbilligung und sie erschauerte. »Von hundert Adem hat keiner eine solche Krankheit«, sagte sie entschieden.
Ganz bestimmt nicht.
»Wirklich?« Ich hob die Hand und formte mit den Fingern einen Kreis. »Kein einziger?«
»Kein einziger«, wiederholte sie felsenfest überzeugt. »Wir könnten uns so etwas nur von einem Barbaren einfangen, und die von uns, die reisen, werden entsprechend gewarnt.«
»Und wenn du dich bei einem anderen Adem ansteckst, der auf seinen Reisen nicht aufgepasst hat?«, fragte ich.
Penthes kleines, herzförmiges Gesicht nahm einen grimmigen Ausdruck an und sie blähte die Nasenflügel. »Bei einem anderen Adem?«
Heftiger Ärger.
»Ich wäre außer mir. Ich würde auf einen Felsen steigen und hinausschreien, was er getan hat. Ich würde ihm das Leben zur Hölle machen.«
Sie strich zum Zeichen ihrer Abscheu mit der Hand an ihrer Hemdfront hinunter, das erste Zeichen der ademischen Gebärdensprache, das ich von Tempi gelernt hatte. »Und dann würde ich die weite Reise über die Berge nach Thal machen, um dort geheilt zu werden. Auch wenn die Reise zwei Jahre dauern sollte und ich in dieser Zeit kein Geld für die Schule verdiene. Niemand würde mich deshalb gering schätzen.«
Ich nickte nachdenklich. Was sie sagte, leuchtete mir ein. Angesichts der Einstellung der Adem zur körperlichen Liebe hätte sich, wenn es anders gewesen wäre, jede Krankheit in Windeseile in der ganzen Bevölkerung ausgebreitet.
Ich fühlte Penthes Blick erwartungsvoll auf mich gerichtet. »Danke für die Blumen«, sagte ich.
Sie nickte, trat näher und blickte zu mir auf. Ihre Augen glänzten erregt und auf ihren Lippen erschien ihr scheues Lächeln. Dann wurde sie wieder ernst. »Haben wir deinen barbarischen Ritualen damit Genüge getan oder sind wir noch nicht fertig?«
Ich strich mit der Hand über die zarte Haut ihres Halses und schob die Fingerspitzen unter ihren langen Zopf. Penthe schloss die Augen und hob das Gesicht zu mir auf.
»Die Blumen sind schön und reichen vollkommen aus«, sagte ich und beugte mich zu ihr hinunter, um sie zu küssen.
»Ich hatte recht«, sagte Penthe mit einem zufriedenen Seufzer, als wir nackt zwischen den Blumen lagen. »Du hast einen prächtigen Zorn.« Ich lag auf dem Rücken, Penthe schmiegte sich an meinen Arm und ihr herzförmiges Gesicht ruhte auf meiner Brust.
»Was meinst du damit?«, fragte ich. »Zorn ist vermutlich das falsche Wort.«
»Ich meine
vaevin«,
sagte sie. Ein Wort des Ademischen. »Bedeutet das nicht dasselbe?«
»Ich kenne das Wort nicht«, gestand ich.
»Ich glaube, Zorn ist die richtige Entsprechung. Ich habe mich mit Vashet in deiner Sprache unterhalten und sie hat mich nicht verbessert.«
»Aber was meinst du denn damit?«, fragte ich. »Ich bin doch überhaupt nicht zornig.«
Penthe hob den Kopf von meiner Brust und lächelte mich satt und zufrieden an. »Natürlich nicht«, erwiderte sie. »Ich habe deinen Zorn ja von dir genommen, du kannst ihn gar nicht mehr spüren.«
»Dann … bist
du
jetzt zornig?« Ich verstand überhaupt nichts mehr.
Penthe lachte und schüttelte den Kopf. Sie hatte ihren langen Zopf aufgemacht und ihre honigfarbenen Haare hingen an der Seite ihres Gesichts hinab. Sie sah ganz anders aus als sonst. Auch dass sie ihre roten Söldnerkleider nicht anhatte, trug vermutlich dazu bei. »Es ist eine andere Art von Zorn. Ich bin froh, ihn zu
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