Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
unterdrückte meinen Protest. Ellie trank mit demselben abwesenden Gesicht, das sie schon beim Essen gemacht hatte. Krin hob den Blick vom Feuer zu ihrem Becher und dann zu mir. Ich bekam einen richtigen Schreck, so groß war die Ähnlichkeit mit Denna. Sie trank, ohne den Blick von mir abzuwenden. Ihr kalter Blick verriet nicht, was in ihr vorging.
»Sie sollen neben mir sitzen«, sagte ich. »Vielleicht hilft mir das bei meiner Entscheidung.«
Kete brachte die beiden zu mir. Ellie setzte sich willig, Krin sträubte sich.
»Bei der musst du aufpassen«, sagte Kete mit einem Nicken auf das schwarzhaarige Mädchen. »Die kratzt.«
Tim kehrte bleich im Gesicht zu uns zurück und setzte sich ans Feuer. Otto stieß ihn mit dem Ellbogen in die Seite. »Noch etwas Eintopf?«, fragte er boshaft.
»Lass mich in Ruhe, du Mistkerl«, ächzte Tim.
»Trink einen Schluck Bier, das beruhigt den Magen«, riet ich.
Er nickte, offenbar dankbar für jede Hilfe. Kete füllte seinen Krug.
Die beiden Mädchen saßen inzwischen rechts und links von mir, mit den Gesichtern zum Feuer. Von nahem sah ich Dinge, die mir zuvor entgangen waren. Krin hatte im Nacken einen schweren Bluterguss. Die Handgelenke des blonden Mädchens waren dort, wo siegefesselt gewesen waren, gerötet, die von Krin dagegen waren wund gescheuert und mit Schorf verkrustet. Trotzdem rochen sie sauber. Ihre Haare waren gekämmt und ihre Kleider erst vor kurzem gewaschen. Offenbar hatte sich Kete darum gekümmert.
Außerdem sahen sie aus der Nähe noch viel hübscher aus. Ich legte ihnen die Hand auf die Schultern. Krin zuckte zusammen und versteifte sich, Ellie reagierte überhaupt nicht.
Fren rief vom Waldrand herüber: »Fertig. Sollen wir eine Lampe für dich anzünden?«
»Ja, bitte«, rief ich zurück. Ich sah von einem Mädchen zum andern und dann zu Alleg. »Ich kann mich nicht entscheiden«, sagte ich ehrlich. »Ich nehme beide.«
Alleg lachte ungläubig. Dann merkte er, dass ich es ernst meinte. »Nein«, protestierte er, »das wäre uns anderen gegenüber ungerecht. Außerdem kannst du unmöglich …«
Ich starrte ihn unverwandt an.
»Na ja«, fuhr er verunsichert fort, »selbst wenn du könntest …«
»Es ist mein zweiter Wunsch«, sagte ich förmlich. »Beide.«
Otto protestierte laut, und auch auf den Gesichtern von Gaskin und Laren malte sich Protest.
Ich lächelte sie beruhigend an. »Nur für heute Nacht.«
Fren und Josh, die mein Zelt aufgebaut hatten, kehrten zurück. »Sei froh, dass er nicht dich will, Otto«, sagte Fren zu dem Hünen. »Das hätte Josh gewollt, nicht wahr, Josh?«
»Halt’s Maul, Fren«, rief Otto erbost. »Jetzt ist
mir
schlecht.«
Ich stand auf, hängte mir die Laute über die Schulter und ging mit den beiden hübschen Mädchen, dem mit goldenem und dem mit schwarzem Haar, zu meinem Zelt.
Kapitel 131
Im schwarzen Schatten des Mondes
F ren und Josh hatten gute Arbeit geleistet. Das Zelt war in der Mitte so hoch, dass man stehen konnte, aber natürlich war es eng, wenn ich mit den beiden Mädchen drin war. Ich schob Ellie, das Mädchen mit den goldenen Locken, sanft zu dem aus einigen dicken Decken aufgeschichteten Lager. »Setz dich«, sagte ich freundlich.
Als sie nicht reagierte, fasste ich sie an den Schultern und drückte sie sanft hinunter. Sie ließ es zu, doch ihre blauen Augen starrten leer geradeaus. Ich suchte ihren Kopf nach Anzeichen von Verletzungen ab, fand aber keine. Offensichtlich stand sie unter Schock.
Ich durchwühlte meinen Reisesack, schüttete einige zu Pulver zermahlene Blätter in einen Becher, den ich auf Reisen mit mir führe, und gab etwas Wasser aus meinem Wasserschlauch dazu. Dann drückte ich den Becher Ellie in die Hände. Sie hielt ihn abwesend. »Trink«, forderte ich sie freundlich auf. Ich versuchte so zu klingen wie Felurian, wenn sie mich dazu hatte bringen wollen, ihr gedankenlos zu gehorchen.
Vielleicht war es mein Ton oder Ellie hatte einfach Durst, jedenfalls trank sie den Becher bis auf den letzten Tropfen aus. Doch sie blickte weiter abwesend in die Ferne.
Ich gab wieder einiges Pulver in den Becher, füllte ihn mit Wasser und hielt ihn dem schwarzhaarigen Mädchen hin.
Wir verharrten eine Weile so, ich mit ausgestrecktem Arm, sie mit bewegungslos herunterhängenden Armen. Endlich blinzelte sie ein paar Mal, als käme sie zu sich, und sah mich an. »Was hast du ihr gegeben?«, fragte sie.
»Zerdrücktes Velia«, antwortete ich freundlich, »ein Gegengift.
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