Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
warten, bis du deine Studiengebühren bezahlt hast?«
»Das ist bereits erledigt«, sagte ich.
Devi machte keine Anstalten, das Geld anzunehmen. »Ichmöchte aber nicht, dass du vollkommen pleite ins neue Trimester gehst«, sagte sie.
Ich wog meinen Geldbeutel in der Hand. Er war immer noch prall gefüllt und gab ein geradezu melodisch klingendes Klimpern von sich.
Devi zückte einen Schlüssel, öffnete damit eine Schreibtischschublade und zog mein Exemplar von
Rhetorik und Logik
, mein Abzeichen aus dem EOLIAN, meine Sympathielampe und Dennas Ring daraus hervor.
Sie legte alles nebeneinander auf den Tisch, rührte die Münzen aber immer noch nicht an. »Dir bleiben noch zwei Monate, erst dann sind ein Jahr und ein Tag vergangen«, sagte sie. »Bist du wirklich sicher, dass du nicht lieber noch abwarten willst?«
Verwundert sah ich das Geld auf dem Tisch an und blickte mich dann im Raum um. Mir ging etwas auf, als würde sich in meinem Geist ein Blütenkelch entblättern. »Hier geht es überhaupt nicht um Geld, nicht wahr?«, sagte ich und war sehr erstaunt darüber, dass ich so lange gebraucht hatte, das zu begreifen.
Devi neigte den Kopf zur Seite.
Ich deutete auf die Bücherregale, auf das große Himmelbett mit den Samtvorhängen und schließlich auf Devi selbst. Ich hatte das nie bemerkt, aber ihre Kleider waren zwar nicht modisch, was Schnitt und Stoff anging jedoch so fein wie die einer Adligen.
»Es geht gar nicht um Geld«, sagte ich noch einmal. Ich sah hinüber zu ihren Büchern. Ihre Sammlung musste mindestens fünfhundert Talente wert sein. »Das Geld gebrauchst du nur als Köder. Du leihst es Leuten, die sich in einer Notlage befinden und die dir später einmal nützlich sein könnten, und dann hoffst du, dass sie es dir nicht zurückzahlen können. In Wirklichkeit handelst du mit Gefälligkeiten.«
Devi lachte. »Geld ist ja ganz nett«, sagte sie mit funkelnden Augen. »Aber die Welt ist voller Dinge, die nicht käuflich sind. Gefälligkeiten und Verpflichtungen sind viel, viel wertvoller.«
Ich sah zu den neun Talenten hinüber, die schimmernd auf ihrem Schreibtisch lagen. »Du hast gar keinen Mindestdarlehensbetrag, nicht wahr?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte. »Dashast du mir nur gesagt, damit ich mich noch mehr bei dir verschulden musste. Du hast gehofft, dass ich mich so tief in diese Sache hineinreite, dass ich niemals in der Lage wäre, es dir zurückzuzahlen.«
Devi lächelte strahlend. »Willkommen in meinem Spiel«, sagte sie und begann die Münzen einzusammeln. »Und vielen Dank, dass du bis hierhin mitgespielt hast.«
Kapitel 144
Schwert und Shaed
D a nun mein Geldbeutel zum Bersten gefüllt war und Alveron mit seiner Bürgschaft für meine Studiengebühren aufkam, war das Wintertrimester für mich das reine Zuckerschlecken.
Es war sehr sonderbar, an der Uni nicht mehr wie ein armer Schlucker leben zu müssen. Ich besaß Kleider, die mir passten, und konnte es mir leisten, sie waschen zu lassen. Ich konnte Kaffee oder Schokolade trinken, wann immer ich wollte. Ich musste nicht mehr ewig im Handwerkszentrum schuften, sondern konnte meine Zeit dort damit verbringen, meine Neugier zu stillen oder einfach nur zum Spaß irgendwelche Projekte zu verfolgen.
Nachdem ich fast ein Jahr lang fort gewesen war, dauerte es eine Weile, bis ich mich wieder an der Universität eingelebt hatte. Es war nach dieser langen Zeit ein seltsames Gefühl, kein Schwert mehr zu tragen. Doch mir war ja bekannt, dass so etwas dort verpönt war und ich mir damit nur unnützen Ärger eingehandelt hätte.
Zunächst ließ ich Caesura auf meinem Zimmer. Aber ich wusste ja selbst am besten, wie leicht es gewesen wäre, dort einzubrechen und das Schwert zu stehlen. Der Fallriegel an meinem Fenster hätte nur einen sehr vornehmen Dieb ferngehalten. Ein praktischer denkender Dieb hätte einfach die Fensterscheibe eingeschlagen und sich in Windeseile wieder aus dem Staub gemacht. Und da dieses Schwert buchstäblich unersetzlich war und ich versprochen hatte, es sicher zu verwahren, dauerte es nicht lange, bis ich es schließlich im Unterding versteckte.
Meinen Shaed weiterhin griffbereit zu haben, erwies sich als längst nicht so schwierig, da er mit ein wenig Aufwand seine Gestaltändern konnte. Er blähte sich nur noch selten von allein. Häufiger schon weigerte er sich, sich so zu bewegen, wie der böige Wind es zu verlangen schien. Man sollte ja meinen, dass den Leuten so etwas
Weitere Kostenlose Bücher