Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
sich vor Freude, als er mich lebendig wiedersah, und gab mir zu Ehren ein Fest, auf dem er mich stolz dem örtlichen Adel präsentierte. Eigens zu diesem Anlass ließ ich mir eine Kleidergarnitur schneidern, und in einem Anflug von Nostalgie entschied ich mich für die Farben, die meine Truppe damals getragen hatte: das Grün und Grau Lord Greyfallows.
Nach dem Fest, bei einer Flasche Wein in seinem Salon, erzählte ich Threpe von meinen Abenteuern. Die Geschichte mit Felurian ließ ich dabei aus, denn mir war klar, dass er sie mir nicht geglaubt hätte. Außerdem konnte ich ihm nicht einmal die Hälfte dessen offenbaren, was ich in den Diensten des Maer alles getan hatte. Folglich fand Threpe, dass ich von Alveron überaus großzügig entlohnt worden sei. Ich widersprach ihm nicht.
Kapitel 145
Geschichten
A mbrose blieb glücklicherweise das Wintertrimester über fort, doch als der Frühling kam, kehrte er wieder, wie ein abscheulicher Zugvogel. Am Tag nach seiner Rückkehr schwänzte ich alle meine Seminare und baute mir ein neues Gram.
Sobald der Schnee fortgetaut war und der Boden trocknete, nahm ich wieder meine Ketan-Übungen auf. Da ich noch wusste, wie seltsam es gewirkt hatte, als ich es selbst zum ersten Mal gesehen hatte, zog ich mich dazu in den Wald nördlich der Universität zurück.
Dann kamen die Zulassungsprüfungen fürs Frühjahrstrimester. Ich erschien dort schwer verkatert und vertat mich bei einigen Fragen. Meine Studiengebühren wurden auf achtzehn Talente, fünf Jots festgesetzt, was mir beim Quästor vier Talente und ein paar Zerquetschte eintrug.
Der »Blutlose« hatte sich über den Winter nur schleppend verkauft, weil in dieser Zeit nicht so viele Kaufleute die Universität besuchten. Doch als der Schnee getaut und die Straßen wieder gut befahrbar waren, ging das halbe Dutzend, das sich im Lager des Handwerkszentrums zwischenzeitlich angesammelt hatte, auf einen Schlag weg, und das brachte mir weitere sechs Talente ein.
Ich war es nicht gewöhnt, so viel Geld zur Verfügung zu haben, und ich gebe zu, dass ich manchmal nicht ganz vernünftig damit umging. Ich besaß nun sechs komplette, maßgefertigte Kleidergarnituren und so viel Papier, wie ich nur brauchen konnte. Ich kaufte mir auch feine, dunkle Tinte aus Arueh und eigenes Gravurwerkzeug. Außerdem hatte ich nun zwei Paar Schuhe.
Zwei
.
In einem Antiquariat in Imre stieß ich auf ein altes, zerfleddertes Yllisch-Lehrbuch. Da es zahlreiche Zeichnungen von Knoten enthielt, hielt es der Antiquar für ein Seemannstagebuch und verkaufte es mir für läppische anderthalb Talente. Bald darauf erwarb ich auch eine Ausgabe der
Heroborica
und dann auch noch ein Exemplar der
Termigus Techina
, das ich als Nachschlagewerk gut gebrauchen konnte, wenn ich auf meinem Zimmer an neuen Erfindungen brütete.
Ich lud meine Freunde zum Abendessen ein. Auri schenkte ich neue Kleider und bunte Haarbänder. Und immer noch hatte ich Geld im Beutel. Wie seltsam. Wie wunderbar.
Gegen Mitte des Trimesters hörte ich mehr und mehr Geschichten, die mir bekannt vorkamen. Geschichten über einen gewissen rothaarigen Abenteurer, der eine Nacht mit Felurian verbracht hatte. Geschichten über einen wagemutigen jungen Arkanisten, der über die gleichen Kräfte wie Taborlin der Große gebot. Es hatte ein paar Monate gedauert, aber schließlich hatten sich meine Heldentaten in Vintas bis zur Universität herumgesprochen.
Es mag schon sein, dass ich, als ich von diesen Geschichten erfuhr, meinen Shaed ein bisschen länger und öfter trug als zuvor. Es mag auch sein, dass ich in den nun folgenden Spannen peinlich viel Zeit in irgendwelchen Kaschemmen verbrachte, darauf erpicht, Geschichten mit anzuhören. Es mag sogar sein, dass ich so weit ging, selbst die eine oder andere Andeutung fallen zu lassen.
Schließlich war ich jung, und es war nur natürlich, dass ich mich meiner Berühmtheit erfreute. Ich dachte, das würde schnell wieder vergehen. Warum sollte ich die Seitenblicke meiner Kommilitonen nicht genießen? Warum sollte ich mich nicht daran erfreuen, so lange es währte?
Viele der Geschichten drehten sich darum, dass ich Banditen jagte und Jungfrauen rettete. Keine aber kam der Wahrheit allzu nah. Geschichten, die tausend Meilen weit von Mund zu Mund weitergetragen werden, machen zwangsläufig Verwandlungen durch.
Zwar unterschieden sich die Einzelheiten, doch das grundlegende Muster blieb meist gleich: Es galt, junge Frauen zu retten.
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