Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
ließ mich ein und dieselbe Titration viermal durchführen, einfach nur, weil meine Notation nicht hundertprozentig korrekt war. Wieso überhaupt Zahlen aufschreiben? Weshalb sollte ich zehn Minuten damit verbringen, etwas aufzuschreiben, was meine Hände in fünf Minuten hervorbringen konnten?
    Und so stritten wir miteinander. Zunächst noch sachte, aber keiner von uns beiden wollte nachgeben. Die Folge war, dass wir uns kaum zwei Spannen nach Trimesterbeginn schon mitten im Unterricht anbrüllten, vor dreißig Studenten, die uns bestürzt anstarrten.
    Anisat forderte mich auf, sein Seminar zu verlassen, und beschimpfte mich als respektlosen Dennerling, der keinerlei Achtung vor Autoritäten habe. Ich wiederum bezeichnete ihn als aufgeblasenenKorinthenkacker, der statt Chemiker besser Kontorschreiber geworden wäre. Der Gerechtigkeit halber sei gesagt, dass wir beide damit nicht ganz Unrecht hatten.
    Mein nächster Misserfolg betraf die Mathematik. Nachdem ich Fela monatelang begeistert davon hatte erzählen hören, was sie bei Meister Brandeur alles lernte, hatte ich mir ebenfalls vorgenommen, meine Mathematikkenntnisse zu vertiefen.
    Leider jedoch sagten mir die luftigen Höhen dieses Fachs so ganz und gar nicht zu. Ich bin nun mal kein Dichter: Ich liebe Worte nicht um der Worte willen. Ich liebe Worte wegen dem, was man mit ihnen erreichen kann. Und ebenso wenig bin ich Arithmetiker. Zahlen, die nur von Zahlen künden, interessieren mich einfach nicht.
    Als ich die Chemie und die Mathematik dann an den Nagel gehängt hatte, hatte ich mit einem Mal sehr viel Zeit. Einen Teil verbrachte ich im Handwerkszentrum, wo ich nun selber ebenfalls einen Blutlosen herstellte, der in null Komma nichts einen Abnehmer fand. Außerdem hielt ich mich immer wieder stundenlang in der Bibliothek und in der Mediho auf, wo ich Recherchen zu einem Aufsatz mit dem Titel »Über die mangelnde Wirksamkeit der Pfeilwurz« anstellte. Arwyl zeigte sich skeptisch, gestand mir aber zu, dass es ein Thema sei, das man weiter verfolgen sollte.
    Dann verbrachte ich auch noch einige Zeit mit Liebesaffären. Das war eine neue Erfahrung für mich, denn wenn ich früher einmal die Aufmerksamkeit einer Frau erregt hatte, hatte ich nicht gewusst, was ich mit dieser Aufmerksamkeit anfangen sollte.
    Doch mittlerweile war ich älter und in gewissem Maße auch klüger. Und aufgrund der Geschichten, die über mich kursierten, zeigten Frauen beiderseits des Flusses Interesse an mir.
    Diese Affären waren sehr angenehm und gingen schnell wieder vorüber. Für diese Kürze vermag ich keinen Grund zu nennen, außer, indem ich das Offensichtliche konstatiere: Ich habe wenig an mir, das eine Frau dazu ermuntern könnte, dauerhaft meine Gesellschaft zu suchen. Simmon, um nur ein Beispiel zu nennen, hatte viel zu bieten. Er glich einem Rohdiamant: Auf den ersten Blick nicht unbedingt atemberaubend, aber mit zahlreichen unter der Oberfläche verborgenenen Qualitäten. Sim war so liebevoll, freundlich und aufmerksam,wie es sich eine Frau nur wünschen konnte. Er machte Fela glücklich. Sim war ein Prinz.
    Ich hingegen, was hatte ich zu bieten? Im Grunde gar nichts. Ich glich eher einem seltsamen Stein, den man vom Boden aufhebt, eine Zeit lang mit sich herumträgt und schließlich wieder fallen lässt, wenn einem klar wird, dass dieser Stein zwar einen interessanten Anblick bietet, aber letztlich nichts weiter ist als zusammengepresster Erdboden.

     
    »Meister Kilvin«, sagte ich, »kennt Ihr ein Metall, das zweitausend Jahre lang hartem Gebrauch standhält und dabei weitgehend unabgenutzt und makellos bleibt?«
    Der hünenhafte Handwerksmeister blickte von dem Messingzahnrad hoch, das er gerade gravierte, und sah mich an. Ich stand in der Tür seines Büros. »Und was für eine Art von Projekt planst du jetzt, Re’lar Kvothe?«
    In den vergangenen drei Monaten hatte ich versucht, etwas zu erfinden, das ebenso erfolgreich sein würde wie mein Blutloser. Einerseits wollte ich damit Geld verdienen, aber außerdem hatte ich auch erfahren, dass Kilvin viel eher geneigt war, Studenten zu befördern, die ihm drei oder vier beeindruckende neue Konstruktionen vorlegen konnten.
    Leider jedoch hatte ich auch hier eine Reihe von Misserfolgen einstecken müssen. Ich hatte zwar über ein Dutzend clevere Ideen gehabt, doch letztlich war aus keiner etwas geworden.
    Die meisten dieser Einfälle hatte Kilvin höchstselbst abgeschmettert. Acht meiner Ideen waren längst realisiert

Weitere Kostenlose Bücher