Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
worden, einige bereits über hundert Jahre zuvor. Fünf davon, teilte mir Kilvin mit, hätten den Einsatz von Runen erfordert, die für Re’lare nicht zugelassen waren. Drei standen auf mathematisch wackeligen Beinen, und er skizzierte mir schnell, warum sie zum Scheitern verurteilt waren, womit er mir Dutzende vergeudete Arbeitsstunden ersparte.
Eine meiner Ideen lehnte er mit der Begründung ab, sie sei »eines verantwortungsbewussten magischen Handwerkers vollkommenunwürdig«. Ich hielt dagegen, dass ein Mechanismus, der beim Nachladen von Ballisten viel Zeit sparen würde, dabei helfen könnte, Schiffe gegen Piraten zu verteidigen und Städte gegen Überfälle der Vi-Sembi-Räuber …
Doch davon wollte Kilvin nichts hören. Als sich sein Antlitz verdüsterte wie der Himmel bei heraufziehendem Sturmgewölk, packte ich meine sorgfältig zurechtgelegten Argumente schnell wieder ein.
Letztlich erwiesen sich nur zwei meiner Ideen als vernünftig, akzeptabel und originell. Doch nach einigen Wochen Arbeit daran musste ich auch sie aufgeben, denn es gelang mir einfach nicht, sie in die Praxis umzusetzen.
Kilvin legte seinen Griffel und das halb gravierte Zahnrad beiseite und sah mich an. »Ich schätze es sehr, wenn ein Student auf Dauerhaftigkeit bedacht ist, Re’lar Kvothe. Aber tausend Jahre sind schon von einem Stein viel verlangt – von einem Metall, gar einem, das intensivem Gebrauch ausgesetzt ist, ganz zu schweigen.«
Der Hintergrund meiner Frage war natürlich Caesura. Doch ich zögerte, Kilvin die ganze Wahrheit anzuvertrauen. Ich wusste nur zu gut, dass er jede Form magischen Handwerks ablehnte, das irgend etwas mit Waffenbau zu tun hatte. Er hätte zwar vielleicht die Kunstfertigkeit anerkannt, die in einem solchen Schwert zum Ausdruck kam, aber ich wäre tief in seinem Ansehen gesunken, wenn er erfahren hätte, dass ich etwas Derartiges besaß.
Ich lächelte. »Das hat mit keinem Projekt von mir zu tun«, sagte ich. »Ich frage nur aus reiner Neugier. Auf meinen Reisen hat man mir ein Schwert gezeigt, das unverwüstlich und scharf war. Und es schien Beweise dafür zu geben, dass es über tausend Jahre alt sei. Wisst Ihr von einem Metall, das so lange nicht zerbrechen würde? Und bei all dem auch noch scharf bliebe?«
»Ach so.« Kilvin nickte und wirkte nicht sonderlich erstaunt. »Solche Dinge gibt es durchaus. Das beruht auf alter Magie, könnte man sagen. Oder auf alten Künsten, von denen wir keine Kenntnis mehr haben. Diese Dinge existieren über die ganze Welt verstreut. Wunderbare Gerätschaften. Mysterien. Es gibt zahlreiche glaubwürdige Quellen, die von einer ewigen Lampe berichten.« Er deutete mit seiner breiten Hand auf die gläsernen Halbkugeln, die auf seiner Werkbanklagen. »Wir besitzen sogar einige dieser Dinge hier an der Universität.«
Da flammte meine Neugier auf. »Was für Dinge?«, fragte ich.
Kilvin zupfte sich am Bart. »Ich besitze beispielsweise ein Gerät, das über keinerlei Sygaldrie verfügt und offenbar nichts anderes macht als Drehimpulse zu verschlucken. Ich besitze vier Barren eines weißen Metalls, das leichter als Wasser ist und das sich weder schmelzen noch auf irgendeine Weise beschädigen lässt. Ich besitze eine Scheibe aus schwarzem Glas, die auf einer Seite vollkommen reibungsfrei ist. Ich besitze ein Stück von einem seltsam geformten Stein, der stets eine Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt beibehält, ganz egal, wie warm oder heiß es in seiner Umgebung ist.« Seine mächtigen Schultern zuckten. »Diese Dinge sind Mysterien.«
Ich zögerte kurz und sagte dann: »Wäre es unangebracht, wenn ich fragen würde, ob ich einige dieser Dinge sehen dürfte?«
Kilvins Lächeln war sehr weiß im Kontrast zu seinem dunklen Teint und Bart. »Fragen darf man immer, Re’lar Kvothe«, sagte er. »Ein Student sollte neugierig sein. Ich würde mir eher Sorgen machen, wenn dich solche Dinge nicht interessierten.«
Er ging zu seinem großen, hölzernen Schreibtisch, der so voller halb fertiggestellter Projekte lag, dass von der Schreibtischplatte kaum noch etwas zu sehen war. Er zückte einen Schlüssel, öffnete damit eine Schublade und nahm zwei Würfel aus einem stumpfen Metall heraus, die kaum größer waren als normale Spielwürfel.
»Viele dieser alten Dinge können wir nicht ergründen oder sinnvoll gebrauchen«, sagte er. »Manche aber sind bemerkenswert nützlich.« Er schüttelte die beiden Würfel in der hohlen Hand, und sie gaben einen schönen
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