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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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kehrten auf dem Weg zurück, den wir gekommen waren, und plauderten dabei über verschiedene belanglose Dinge. Den dunklen Mantel aus Schatten hatte sie sich locker über den Arm gehängt.
    Doch als dann der erste Schein des Dämmerlichts am Himmel aufzog, hängte sie ihn unsichtbar an die schwarzen Äste eines Baums. »manchmal geht es nur mit langsamer gewöhnung«, sagte sie. »der zarte schatten fürchtet die kerzenflamme. wie sollte es deinem noch ganz neuen
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anders ergehen?«

Kapitel 101

Auf Reichweite
     
    N ach unserem Ausflug, bei dem dem wir Schatten gesammelt hatten, fragte ich gezielter nach Felurians magischen Fähigkeiten. Sie antwortete mir auch jetzt meist völlig gleichgültig. Wie hielt man einen Schatten fest? Sie machte eine Handbewegung, als pflücke sie eine Frucht. So einfach ging das offenbar.
    In anderen Antworten wimmelte es von mir unverständlichen Begriffen der Fae. Wenn Felurian diese Begriffe erklären wollte, verwendete sie blumige Wendungen, aus denen ich auch nicht schlau wurde. Manchmal hatte ich das Gefühl, es mit einer ruhigeren und attraktiveren Version Elodins zu tun zu haben.
    Einiges erfuhr ich immerhin. Die Arbeit mit dem Schatten hieß »Grammarie«. Auf meine Frage sagte sie, Grammarie sei »die Kunst, Dinge zu schaffen«, im Unterschied zur Glamourie, der »Kunst, Dinge scheinen zu lassen«.
    Ich erfuhr auch, dass es bei den Fae keine Himmelsrichtungen in unserem Sinn gibt. Unser Trimetallkompass ist dort so unnütz wie eine blecherne Schamkapsel. Es gibt kein Norden. Und wenn am Himmel ewiges Dämmerlicht herrscht, kann man die Sonne auch nicht im Osten aufgehen sehen.
    Bei genauer Betrachtung des Himmels stellt man allerdings fest, dass der Horizont auf der einen Seite etwas heller ist und auf der gegenüberliegenden Seite etwas dunkler. Geht man auf den helleren Horizont zu, wird es irgendwann Tag, in der anderen Richtung Nacht. Wer lange genug in eine Richtung geht, sieht einen ganzen Tag verstreichen und kommt an derselben Stelle heraus, von der er losgegangen ist. Soweit jedenfalls die Theorie.
    Felurian nannte die beiden Richtungen des Fae-Kompasses Tag und Nacht. Die anderen beiden Richtungen bezeichnete sie mehrmals als Hell und Dunkel, Sommer und Winter oder Vorwärts und Rückwärts. Einmal sprach sie sogar von Grimmerich und Grinserich, aber ich vermutete aufgrund ihres Tons, dass sie sich über mich lustig machte.

     
    Ich habe ein gutes Gedächtnis. Dieser Umstand prägt vielleicht mehr als alles andere das, was ich bin. Mein Gedächtnis ist die Gabe, auf der viele meiner anderen Fähigkeiten aufbauen.
    Ich kann nur vermuten, wie ich dazu gekommen bin. Vielleicht lag es an meiner frühen Bühnenausbildung, an den Spielen, mit denen meine Eltern mir halfen, meinen Text auswendig zu lernen. Oder es lag an den geistigen Übungen, mit denen Abenthy mich auf die Universität vorbereitete.
    Jedenfalls hat mein Gedächtnis mir immer treue Dienste geleistet. Manchmal funktioniert es sogar besser, als mir lieb ist.
    Wenn ich dagegen an meine Zeit im Reich der Fae zurückdenke, weist mein Gedächtnis seltsame Lücken auf. Meine Gespräche mit Felurian sind mir noch in allen Einzelheiten gegenwärtig. An das, was sie mich lehrte, erinnere ich mich, als hätte sie es mir auf die Haut geschrieben. Genauso an ihren Anblick oder den Geschmack ihres Mundes. Alles ist so frisch, als hätte ich es erst gestern erlebt.
    An andere Dinge kann ich mich dagegen überhaupt nicht mehr erinnern.
    Zum Beispiel sehe ich Felurian noch in dem violett getränkten Dämmerlicht stehen, das durch die Bäume fiel und sie mit leuchtenden Punkten überzog, als schwimme sie unter Wasser. Ich erinnere mich an ihr Gesicht im flackernden Licht der Kerzen, an die neckenden Schatten, die mehr verbargen als enthüllten. Und ich sehe sie noch im vollen, tiefgelben Schein der Lampe sitzen. Sie räkelte sich darin wie eine Katze, und ihre Haut leuchtete warm.
    Dagegen erinnere ich mich weder an Lampen noch an Kerzen. Dabei erfordert beides doch ständige Aufmerksamkeit. Ich könntenicht sagen, ob ich je einen Docht gestutzt oder den gläsernen Schirm einer Lampe vom Ruß befreit habe. Auch an den Geruch von Öl, Rauch oder Wachs erinnere ich mich nicht.
    Ich weiß noch, was wir aßen. Obst, Brot und Honig. Felurian aß Blumen. Frisch gepflückte Orchideen, Waldlilien und üppige Selasblüten. Auch ich habe Blumen probiert. Am liebsten mochte ich Veilchen.
    Was allerdings nicht heißen soll, dass

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