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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Felurian nur von Blumen lebte. Sie mochte auch Brot, Butter und Honig und besonders gern Brombeeren. Auch Fleisch gab es, nicht zu jeder Mahlzeit, aber manchmal. Reh, Fasan oder Bär. Felurian aß ihr Fleisch nur ganz leicht angebraten, fast roh.
    Sie war auch nicht wählerisch und legte keinen Wert auf besondere Tischmanieren. Wir aßen mit den Händen, und wenn sie nach dem Essen vom Honig, Fruchtfleisch oder Bärenblut klebrig waren, wuschen wir sie in dem nahen Teich.
    Ich sehe Felurian noch heute vor mir, nackt und lachend, während ihr Blut übers Kinn läuft. Sie hatte die Würde einer Königin, den Eifer eines Kindes und den Stolz einer Katze. Und zugleich war sie das alles nicht, war sie etwas ganz anderes.
    Was ich damit sagen will: ich erinnere mich daran, wie wir aßen, aber nicht daran, woher das Essen kam. Hat es jemand gebracht? Hat Felurian es selbst beschafft? Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern. Dass Diener uns auf Felurians ewig dämmriger Lichtung gestört hätten, erscheint mir abwegig, aber genauso der Gedanke, Felurian könnte selbst Brot gebacken haben.
    Dass sie Rehe gejagt hat, kann ich mir dagegen leichter vorstellen. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass sie, wenn sie wollte, ein Reh einholen und mit bloßen Händen töten konnte. Ich kann mir auch vorstellen, dass sich gelegentlich ein scheuer Hirsch auf die Lichtung verirrte und Felurian geduldig wartete, bis er sich ihr auf Reichweite näherte.

Kapitel 102

Der ewig dahinziehende Mond
     
    F elurian und ich waren zum Teich unterwegs, da bemerkte ich eine geringfügige Veränderung des Lichts. Ich hob den Kopf und sah zwischen den Bäumen über uns zu meiner Überraschung die helle Sichel des Mondes.
    Obwohl sie nur ganz schmal war, erkannte ich darin den Mond meiner Welt, wie ich ihn schon mein ganzes Leben lang kannte. Ihn hier an diesem merkwürdigen Ort zu sehen kam mir vor wie weit weg von zu Hause einem längst verloren geglaubten Freund zu begegnen.
    »Sieh mal!«, rief ich und zeigte darauf. »Der Mond!«
    Felurian lächelte nachsichtig. »du bist mein unschuldiges lämmchen. sieh mal! da ist auch eine wolke!
amouen!
lass uns tanzen vor freude!« Sie lachte.
    Ich wurde knallrot. »Aber ich habe den Mond seit …« Ich verstummte. Wie sollte ich die Zeit schätzen? »… schon lange nicht mehr gesehen. Außerdem habt ihr andere Sterne, und da dachte ich, vielleicht habt ihr auch einen anderen Mond.«
    Felurian fuhr mir zärtlich durchs Haar. »du dummerjan, es gibt nur einen mond. und wir warten schon auf ihn. er wird uns helfen, deinen
shaed
fertig zu stellen.« Sie glitt geschmeidig wie ein Otter ins Wasser. Als sie wieder auftauchte, klebte ihr das Haar tintenschwarz auf den Schultern.
    Ich setzte mich auf einen Stein am Ufer und ließ die Füße im Wasser baumeln. Das Wasser war so warm wie in einer Badewanne. »Warum scheint hier der Mond, wenn es doch ein anderer Himmel ist?«, fragte ich.
    »wir haben nur eine schmale sichel«, erwiderte Felurian. »der größere teil ist in der welt der sterblichen.«
    »Aber wie geht das?«, fragte ich.
    Felurian hörte auf zu schwimmen, ließ sich auf dem Rücken treiben und blickte zum Himmel empor. »ach mond«, sagte sie ein wenig traurig. »ich vergehe vor sehnsucht nach einem kuss. warum hast du mir einen philosophen geschickt, wo ich doch einen mann wollte?« Sie seufzte tief.
    Ich ließ mich ebenfalls ins Wasser gleiten. Vielleicht war ich nicht so geschmeidig wie ein Otter, dafür küsste ich besser.
    Später lagen wir auf einem breiten, vom Wasser glatt geschliffenen Felsen in Ufernähe. »danke, mond«, sagte Felurian und blickte zufrieden zum Himmel auf. »danke für diesen lieben und munteren kleinen mann.«
    Im Teich schwammen handgroße Leuchtfische mit farbig glimmenden Streifen oder Punkten. Ich sah sie aus den Verstecken auftauchen, in die sie sich erschreckt durch das aufgewühlte Wasser zurückgezogen hatten. Sie leuchteten orange wie glühende Kohlen, gelb wie Butterblumen und blau wie der Mittagshimmel.
    Felurian glitt wieder ins Wasser und zog mich am Bein. »komm, mein küssender philosoph, dann zeige ich dir, wie das mit dem mond geht.«
    Ich folgte ihr in den Teich, bis wir schultertief im Wasser standen. Die Fische kamen neugierig näher, und einige besonders mutige schwammen sogar zwischen uns hindurch. Sie umrundeten Felurian, und ihre Bewegungen ließen Felurians Körper im Wasser erahnen. Obwohl ich jeden Winkel davon bereits eingehend

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