Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
erkundet hatte, faszinierten mich plötzlich ihre nur angedeuteten Formen.
Die Fische kamen noch näher. Einer streifte mich, und ich spürte ein sanftes Knabbern auf der Haut. Ich zuckte zusammen, obwohl das Knabbern nicht stärker gewesen war als ein klopfender Finger. Dann sah ich zu, wie immer mehr Fische uns umkreisten und ab und zu an uns knabberten.
»sogar die fische küssen dich gern«, sagte Felurian und drückte ihren nassen Leib an mich.
Ich blickte auf die Fische hinab. »Wahrscheinlich mögen sie das Salz auf meiner Haut.«
Felurian schob mich ärgerlich weg. »vielleicht mögen sie den geschmack von philosophen.«
Bevor ich etwas darauf erwidern konnte, sah sie mich ernst an, streckte die Finger und tauchte sie zwischen uns ins Wasser ein.
»es gibt nur einen mond«, sagte sie, »und er bewegt sich zwischen deinem himmel und meinem hin und her.« Sie drückte ihre Hand an meine Brust und dann an ihre. »hin und her.« Sie brach ab und sah mich stirnrunzelnd an. »pass auf meine worte auf!«
»Mach ich doch«, log ich.
»nein, du denkst nur an meine brüste.«
Sie hatte recht. Das Wasser spielte um ihre Brüste und bewegte sie sanft. »Sie sind die Aufmerksamkeit aber auch wert«, protestierte ich. »Sie nicht zu beachten wäre eine schreckliche Kränkung.«
»aber ich spreche von wichtigen dingen, die du wissen musst, wenn du wohlbehalten zu mir zurückkehren willst.« Felurian seufzte ungeduldig. »wenn ich dich eine berühren lasse, hörst du mir dann zu?«
»Ja.«
Sie nahm meine Hand und zog sie auf ihre Brust. »mache die wellen der lilie.«
»Du hast mir noch nicht gezeigt, wie das geht.«
»dann kommt das eben später.« Sie tauchte ihre Hand wieder zwischen uns ins Wasser ein, seufzte leise und schloss die Augen halb. »ah«, murmelte sie. »oh.«
Die Fische kamen wieder aus ihren Verstecken.
»mein kleiner philosoph, der sich so leicht ablenken lässt«, fuhr sie schließlich fort. Es klang nicht unfreundlich. Sie tauchte zum Grund hinunter und kehrte mit einem glatten, runden Kiesel zurück. »jetzt höre mir gut zu: ich bin die fee, der sterbliche bist du.« Sie schloss unser beider Handflächen um den Kiesel und verschränkte unsere Finger miteinander. »er ist fest mit der nacht der fae und der nacht der sterblichen verbunden.«
Sie trat einen Schritt auf mich zu und drückte den Stein in unseren Händen an meine Brust. »so bewegt sich der mond«, sagte sie und schloss die Finger fester um meine. »blicke ich jetzt nach oben, ist dergeliebte mond nicht zu sehen. stattdessen bescheint er, der offenen blüte gleich, deine welt, der sterblichen reich.«
Sie trat zurück, so dass sich die Arme mit den Händen, an denen wir uns gefasst hielten, streckten. Dann führte sie den Stein an ihre Brust und zog mich dabei an der Hand durchs Wasser. »jetzt seufzen die mädchen bei euch, denn er scheint über meinem teich.«
Ich nickte. »Sowohl die Fae als auch die Menschen lieben ihn. Unser Mond wandert also eifrig hin und her?«
Felurian schüttelte den Kopf. »er wandert nicht, er zieht dahin. er bewegt sich, aber er kann nicht gehen, wie er will.«
»Ich kenne eine Geschichte von einem Jungen, der den Mond gestohlen hat«, sagte ich.
Felurian sah mich ernst an, löste ihre Finger aus meinen und senkte den Blick auf den Stein in ihrer Hand. »damit war alles aus.« Sie seufzte. »davor gab es noch hoffnung auf frieden.«
Ich starrte sie entgeistert an. Sie klang vollkommen nüchtern. »Wie bitte?«
»der mond wurde gestohlen.« Sie legte den Kopf schief und sah mich fragend an. »du sagtest doch, du wüsstest davon.«
»Ich sagte, ich würde eine Geschichte kennen, aber die war doch nur erfunden. Sie handelte nicht von einer wahren Begebenheit, sondern war ein Märchen, eine Geschichte, wie man sie Kindern erzählt.«
Felurian lächelte wieder. »ich kenne eure märchen. es sind fantasiegeschichten über feen und zwerge. wir erzählen unseren kindern manchmal ähnliche geschichten über menschen.«
»Aber der Mond wurde wirklich gestohlen?«, fragte ich. »Das war kein Märchen?«
Felurian machte ein böses Gesicht. »ich habe es dir doch gerade gezeigt!« Sie schlug mit der Hand aufs Wasser, dass es spritzte. Ich machte unter Wasser unwillkürlich die Geste der Adem für
Entschuldigung
und merkte erst danach, dass sie doppelt unsinnig war. »Tut mir leid«, sagte ich. »Aber ohne diese Geschichte verstehe ich überhaupt nichts. Bitte erzähle sie mir.«
»sie ist sehr
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