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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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meinFreundeskreis war entsprechend klein. Trotzdem hatte ich vergessen, was es hieß, wirklich ganz allein zu sein.
    Ich dachte an meine Eltern, an die Chandrian und an Cinder. An Cinders geschmeidige Bewegungen und an das Schwert, das er wie ein Stück Eis nachlässig in der Hand gehalten hatte. Ich stellte mir vor, wie ich ihn tötete.
    Dann dachte ich an Denna und an die Worte des Cthaeh, an Dennas Schirmherrn und an das, was ich im Streit zu Denna gesagt hatte. Ich dachte daran, wie sie auf der Straße ausgerutscht war und ich sie aufgefangen hatte und wie die sanfte Rundung ihrer Hüfte sich unter meiner Hand angefühlt hatte. Ich dachte an die Form ihres Mundes, den Klang ihrer Stimme und den Duft ihres Haars.
    Und mit diesen Gedanken trat ich lautlos durch die Pforte des Schlafes.

Kapitel 115

Sturm und Fels
     
    A ls ich am nächsten Morgen aufwachte, wusste ich, was ich zu tun hatte. Meine einzige Alternative war die Schule. Ich musste mich beweisen. Und dazu musste ich so schnell wie möglich alles lernen, was Vashet mir beibringen konnte.
    Ich stand also auf, als es draußen noch kaum dämmerte. Als Vashet aus ihrem kleinen Häuschen trat, wartete ich bereits. Ich war nicht gerade putzmunter, weil ich unruhig geschlafen und schlecht geträumt hatte, aber ich war bereit zu lernen.
     
    Mir wird jetzt klar, dass ich Haert vielleicht ungenau beschrieben habe.
    Es war natürlich keine Großstadt. Auch eine Stadt konnte man es beim besten Willen nicht nennen, in gewisser Hinsicht war es nicht einmal ein richtiger Ort.
    Das ist nicht abschätzig gemeint. Ich bin den größten Teil meiner Kindheit mit einer Schauspieltruppe von einem Ort zum anderen gezogen. Die Hälfte solcher Ortschaften sind Dörfer, die um einen Straßenmarkt oder eine Lehmgrube entstanden sind oder an einem Flussufer, an dem sich ein Mühlrad dreht.
    Einige sind wohlhabend und haben fruchtbare Äcker und ein mildes Klima. Oder sie verdienen prächtig an durchziehenden Händlern. Man sieht es ihnen an. Sie haben große, gepflegte Häuser und ihre Bewohner sind freundlich und freigiebig, die Kinder wohlgenährt und glücklich. Man kann dort teure Dinge wie Pfeffer, Zimt und Schokolade kaufen und im Wirtshaus gibt es Kaffee, guten Wein und Musik.
    Daneben gibt es aber auch andere Orte mit dünnem, ausgelaugtem Boden, Orte, in denen die Mühle abgebrannt oder die Lehmgrube schon seit Jahren erschöpft ist. Dort sind die Häuser klein und baufällig, die Einwohner mager und misstrauisch, und Wohlstand bemisst sich in kleinen, anschaulichen Begriffen wie einem Klafter Holz, einem zweiten Schwein oder fünf Gläsern Brombeermarmelade.
    Auf den ersten Blick schien Haert zu dieser zweiten Kategorie zu gehören. Es bestand nur aus kleinen, aus Bruchsteinen gemauerten Häusern und gelegentlich einem Stall mit einer Ziege.
    In den meisten Gegenden des Commonwealth wie überhaupt in der zivilisierten Welt würde eine Familie in einem kleinen, kaum möblierten Häuschen als beklagenswert angesehen und nur einen Schritt von der Armut entfernt.
    Bei den Adem dagegen waren die Häuser so geschickt und fest aus Steinen zusammengefügt, wie ich es selten gesehen hatte. Es gab nicht den kleinsten Spalt, durch den der Wind hätte eindringen können. Auch die Dächer waren dicht und das Leder der Türangeln war nicht gesprungen. Als Fenster dienten nicht etwa geölte Schafshäute oder einfach Löcher mit hölzernen Läden, sondern sorgfältig eingepasste Glasscheiben, die so dicht schlossen wie die Fenster einer Bankiersvilla.
    Offene Feuerstellen sah ich in Haert überhaupt nicht. Damit ihr mich nicht falsch versteht: Feuerstellen sind natürlich viel besser, als zu Tode zu frieren. Aber die meisten dieser von den Bewohnern selbst gebauten Feuerstellen aus losen Feldsteinen oder Ascheziegeln sind schmutzig und bringen nichts. Sie füllen das Haus mit Ruß und die Lungen seiner Bewohner mit Rauch.
    Stattdessen hatte bei den Adem jedes Haus einen eigenen Ofen von der Art, die fünfzig Kilo wiegt, ein eisernes Ungetüm, das man schüren kann, bis das Eisen vor Hitze glüht. Solche Öfen halten hundert Jahre und kosten mehr, als ein Bauer in einem ganzen Jahr mühseliger Arbeit verdient. Einige waren kleiner und dienten zum Heizen und Kochen, die meisten aber waren so groß, dass man mit ihnen auch backen konnte. Einen solchen großen Ofen sah ich einmal sogar in einem kleinen Häuschen mit nur drei Zimmern.
    Die Teppiche auf den Böden waren meist einfach, aber

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