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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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stürzen können. Dann wäre euch der halbe Spaß verdorben gewesen.«
    Dedlana gab mir keine Antwort.
    Im Burghof stand, nahe beim Brunnen, eine einzelne, mächtige Linde. Unter ihren kahlen Ästen waren die Amazonen angetreten. Vor dem Eingang des Palas hatte Königin Ulissa fünf Offizierinnen im Halbkreis um sich versammelt. Ein paar Schritte von dieser Gruppe entfernt hatte man den Richtblock aufgestellt, vor dem Yppolita kniete. Larix und ich wurden dicht an den Klotz herangeführt. Die beiden Amazonen, die uns aus der Zelle geholt hatten, blieben hinter uns stehen.
    Im Hof herrschte tiefes Schweigen. Nur der Wind war zu hören, der sausend über die Zinnen der Mauer strich, Sandkörner und Blätter über das Pflaster trieb, an den Helmbüschen und Mänteln der Amazonen zerrte und Yppolita das dünne Hurenkleid eng an den Körper preßte.
    In den Fenstern des Palas waren die Köpfe neugieriger Köchinnen und Mägde zu sehen.
    Königin Ulissa trat einen Schritt vor. Aus der Schar der Amazonen lief eine Kriegerin herbei und reichte ihr ein Zweihänderschwert mit goldblinkendem Heft. Die Königin sprach. Ihre Worte galten Larix und mir: »Euer Ende ist noch nicht gekommen. Wenn ihr zum Namenlosen fahrt, werdet ihr ein wenig klüger geworden sein. Ihr werdet nämlich erlebt haben, wie es einer Buhlerin und Verräterin ergeht. Diese Kreatur dort im Staub hat sich nicht damit begnügen können, den Amazonenthron mit Schande zu bedecken. Nein, sie mußte das übelste Gelichter Aventuriens um sich scharen, um mit solcher Hilfe der Schwester den Thron zu rauben und den Königinnenmord zu planen ...«
    »Darf ich sprechen, Königin?« fuhr ihr Larix tollkühn ins Wort.
    »Nur zu, du Maulwurf! Aber wenn mir deine Worte nicht gefallen, werde ich dir die Zunge herausschneiden und sie den Hunden zum Fraß vorwerfen lassen!«
    Larix erzählte mit beherrschter Stimme, schnörkellos und ohne Umschweife unsere und Yppolitas Geschichte, soweit wir sie kannten. Die Königin hörte ihm aufmerksam zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen. Dann trat sie zu ihrer Schwester und tippte ihr mit der Fußspitze gegen den Schenkel. »Stimmt das, du ... Mädchen? «
    Yppolita hob den Kopf, sah sie an und schwieg.
    »So sprich! Wenn auch dein Leben verwirkt ist, vielleicht kannst du die Köpfe deiner Kumpane retten.«
    Es bereitete Yppolita unendliche Mühe, das Wort an die verhaßte Schwester zu richten. Sie hatte geschwiegen, seit die Feilscher uns am vergangenen Morgen zur gespaltenen Eiche geführt hatten. Außer ihrem Schweigen war Yppolita nichts geblieben, das sie Ulissa entgegensetzen konnte. Und das sollte sie jetzt aufgeben – um der Weggefährten willen, weil sich eine winzige Hoffnung bot, ihr Leben zu erhalten? Yppolitas Lippen öffneten sich. »Es stimmt jedes Wort«, murmelte sie kaum hörbar, genau im gleichen Augenblick, da ich »Laß gut sein, Yppolita!« rief.
    »Wir haben dich nicht verstanden, Mädchen«, zischte die Königin. »Noch einmal, bitte, und so laut, daß dich auch die Kriegerinnen in der letzten Reihe hören können!«
    Yppolita wiederholte ihre Worte mit fester, lauter Stimme.
    Als sie geendet hatte, stieß Ulissa ein schallendes Gelächter aus – ein paar Amazonen stimmten zögernd ein. Die Königin hatte sich wieder Larix zugewandt. »Ihr habt uns vortrefflich unterhalten, du und deine Freundin. Ich denke, du kannst deine Zunge einstweilen behalten. Später, gegen Abend, wirst du viel zu schreien haben, dann sollst du deinen Jammer sprechen lassen können und nicht nur einfach viehisch jaulen ...«
    Mit zärtlicher Geste strich Ulissa der Knienden über das Haar. »Eine schöne Geschichte«, lobte sie. » Zufällig schickte dein Herr Vater eine Schar Strauchdiebe aus, zufällig finden die Halunken dich mitten im Wald. Sie kennen dich zwar nicht, aber, wie es der Zufall will, sie nehmen dich in ihre Reihen auf, dich, Mädchen, angeblich ein halbnacktes, tölpelhaftes Kind, du sollst bei ihrem gefährlichen Auftrag ihr Verbündeter sein. Und endlich führt euch der Zufall bis fast vor das Tor von Kurkum. Merkwürdig nur, daß mir Freund Mimmel nichts von einem Mädchen ohne Gedächtnis erzählt hat. Er berichtete nur, die Schänderin des Throns sei zurückgekehrt. Kein Wort davon, daß sie nicht auf den Namen Yppolita hörte. Nein, dem Zehntelerhäuptling schienst du ganz die alte zu sein. Ach halt! Du hattest ja zufällig dein Gedächtnis kurz vor dem Treffen mit Mimmel zurückerlangt ...«
    Larix war

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