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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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Gefährten unbedingt zeigen, wie gut er sich darauf verstand, einen hilflosen Gefangenen zum Sprechen zu bringen. Er zerrte mich unter dem Busch vor, schleppte mich zu den anderen und trat mir, nur um wichtig zu tun, mit voller Wucht in den Bauch. Ich hätte gern auf den Waldboden gekotzt, aber mein Magen hätte außer bitterem Schleim nichts abgegeben. Sobald ich wieder einigermaßen regelmäßig atmen konnte, gab ich den Burschen eine kleine Lagebeschreibung, die ich mir aus ihren Wortwechseln zusammengereimt hatte: Der ganze Trupp war angeheuert worden, um in den Trollzacken eine Gruppe von fünf Reisenden zu stellen und tot oder lebendig nach Beilunk zu schaffen. Die Jagdgesellschaft hatte ein Elf zusammengestellt, und dieser trieb auch einen Spezialisten für Fährtensuche auf, einen verfressenen, streitsüchtigen Oger. Bald war der Anführer der Goblins mit dem Menschen- und Goblinfresser aneinandergeraten, was dazu geführt hatte, daß die rothaarigen Krummbeine nun ohne Häuptling dastanden. Du erinnerst dich an unseren Fund beim Bach ... den Burschen mit dem Schiefertäfelchen ...? Da hatten wir mit unseren Vermutungen gar nicht so falsch gelegen. Nun ja, ich hörte außerdem, wie Elf, Oger und Goblins ihre Beute schließlich gestellt hatten und wie diese Begegnung ausgegangen war; aber wie sich das alles abgespielt hat, wirst du selbst am besten wissen.
    Irgendwie mußten meine drei Goblins, der kümmerliche Rest der Jägerschar, erfahren haben, daß der Elf vom Wirt des Schwarzen Bären in Beilunk zweihundert Dukaten für die Lieferung der Reisenden bekommen hätte, ein gutes Geld, das die Goblins sich nun selbst verdienen wollten. Ich machte sie jetzt auf die bedenkenswerte Tatsache aufmerksam, daß sie keineswegs fünf, sondern höchstens einen Gefangenen in Beilunk abliefern würden.
    ›Keinen Gefangenen, sondern nur einen Kopf‹, knurrte mein besonderer Freund, der vorhin schon einmal denselben häßlichen Vorschlag gemacht hatte. Gleich danach stellte er auch noch seine Vertrautheit mit der Rechenkunst unter Beweis, indem er von den gespreizten Fingern seiner linken Hand nach und nach vier umbog und am Ende den Daumen in die Höhe hielt. ›Dann werden wir eben nur einen Teil von den 200 Dukaten bekommen.‹
    ›Das wäre dann natürlich nur noch ein Dukate‹, stimmte ich ihm zu. ›Aber nicht einmal damit würde ich an eurer Stelle rechnen.‹
    Alle drei starrten mich schweigend an, übellaunig und verdutzt zugleich.
    ›Stellt euch einmal vor, ihr beauftragt jemanden, ein paar Strolche für euch aus dem Weg zu räumen. Nun kommt dieser Jemand zurück, um euch zu erklären, er könne euch nur einen Gefangenen bringen ...‹
    ›Einen Kopf!‹
    ›Na schön, einen Kopf ... Die anderen seien leider entwischt. Was würdet ihr dazu sagen?‹ Da die Goblins stumm blieben, antwortete ich für sie: ›Du hast die Sache vermasselt, würdet ihr sagen. Jetzt sind die anderen nämlich gewarnt, und nun wird es doppelt schwer, sie in die Hand zu bekommen.‹«
    Viburn legte eine kleine Pause ein und schlug die Beine übereinander. Ich sah ihm an, wie sehr er seine kleine Erzählung genoß. Endlich fuhr er fort:
    »›Wieviel würdest du in einem solchen Fall bezahlen?‹ fragte ich den dicksten Goblin, ›ein blinkendes Goldstück etwa?‹
    Meine Worte hatten sie nachdenklich gemacht. Sie begannen, sich heftig an den Köpfen zu kratzen und ratlos in den Nüstern zu bohren.
    Ich wartete ab.
    Endlich kam der ersehnte Augenblick. Der dicke Goblin tippte mich – fast zärtlich – mit der Fußspitze an. ›Du hast einen Vorschlag?‹
    ›Bindet mich los, dann gebe ich euch einen Rat.‹
    Er schüttelte seinen regennassen Affenschädel. ›Kommt nicht in Frage! Du wirst uns auch so alles sagen, was wir wissen wollen.‹
    ›Aber mein Rat ist: Bindet mich los und laßt mich frei.‹ Es gibt nur eine Sache, die häßlicher ist als ein Goblingesicht: ein lachendes Goblingesicht. Der dicke Rotpelz stieß ein feuchtes Gluckern aus, dann streifte er meine Haare zur Seite und griff nach meinem Ohr. In der anderen Hand hielt er ein kleines rostiges Messer, das er vermutlich in irgendeiner Wirtshausküche gestohlen hatte. Ein schmerzhaftes Brennen durchzuckte mich, aber der Schrecken war schlimmer als der Schmerz: Das Messer hatte nur die Haut geritzt, gewissermaßen nur die Stelle gezeichnet, wo der endgültige Schnitt angesetzt werden sollte.
    Mit einem gellenden Schrei fuhr ich zusammen und versank augenblicklich in

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