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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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eine tiefe Ohnmacht. Siehst du, so ...«
    Viburn sah mich an, dann verdrehte er die Augen so weit nach oben, daß sie fast unter den oberen Augenlidern verschwanden. Ein beeindruckendes Schauspiel.
    »Kaum hatte mich der Ohnmachtsanfall ereilt, da gerieten die Goblins auch schon in einen prächtigen Streit: ›Da! Jetzt sagt er gar nichts mehr! Das hast du nun davon!‹
    ›Aber ich habe ihm doch gar nichts getan, nur ...‹
    ›Ach was, du bist ein ungeschickter Tölpel! Und von Menschen hast du keine Ahnung!‹
    ›Genau! Davon hat er keine Ahnung! Alle Menschen sind große Hosenscheißer!‹
    ›Nun tu was! Weck ihn auf, du Trottel!‹
    ›Was bin ich? Sag das noch mal!‹
    Unvermittelt waren dumpfe Schläge, Stöhnen, Fauchen und Fluchen zu hören. Ich schielte vorsichtig zum Kampfplatz hinüber. Das hätte ich nicht tun sollen, denn der dritte Goblin rief: ›Hört auf! Hört auf! Er kommt wieder zu sich!‹
    Diesmal übernahm ein anderes Krummbein die Verhandlungsführung: ›Also rede! Was hätten wir davon, wenn wir dich laufen ließen?‹
    ›Ihr hättet eine gute Gelegenheit, euer rotes Fell zu retten.‹
    ›Was soll das heißen?‹
    ›Das will ich euch gern sagen. Hört gut zu!‹ Anschließend breitete ich eine lange, farbenprächtige Geschichte vor meiner Zuhörerschaft aus. Sie handelte vom Fürsten von Ilsur, der die Fürstin vor vielen Jahren mit einer wunderschönen Elfe betrogen habe. Fürst und Fürstin seien inzwischen gestorben, ihr Land werde inzwischen von ihrer Tochter geführt. Diese junge Frau, eine grausame, hartherzige Herrscherin, habe nun erfahren, daß ihr Thron bedroht sei. Aus der Verbindung zwischen ihrem fürstlichen Vater und der Elfenschönheit sei nämlich ein Sohn entsprungen. Vor wenigen Wochen erst habe der Halbelf erfahren, welch edles Blut in seinen Adern fließe, und nun sei er mit einem kleinen Gefolge unterwegs nach Ilsur, um den Thron für sich zu beanspruchen. Dies alles sei der Fürstin nicht verborgen geblieben, und sie kenne nun nur einen Gedanken: den Halbbruder aus dem Weg zu räumen.
    An dieser Stelle ging den Goblins gleichzeitig ein Licht auf. Endlich wußten sie, was hinter dem Auftrag steckte. Auch den ilsurischen Thronfolger hatten sie in unserer Reisegruppe deutlich ausmachen können.« Viburn zwinkerte mir zu. »Nicht wahr, altes Langohr?« Dann setzte er seine Erzählung fort: »Der Rest war eigentlich kaum mehr als ein Kinderspiel. Nun mußte ich den Goblins nur noch begreiflich machen, daß die Fänger oder die Mörder des Thronanwärters ihrerseits kaum darauf hoffen durften, ein hohes Alter zu erreichen. Selbstverständlich konnte die grausame Fürstin erst dann völlig zufrieden sein, wenn nicht nur der Halbelf, sondern auch sämtliche Mitwisser für immer verstummt wären. Insofern könnten die Goblins froh sein, daß es ihnen nicht gelungen war, die Reisenden zu überwältigen. Denn der Tag, an dem sie ihre Beute in Beilunk abgeliefert hätten, wäre wohl der letzte in ihrem ruhmreichen Goblindasein gewesen.
    Meine Geschichte schien die kleinen Widerwarte beeindruckt zu haben, denn sie zogen sich zu einer kurzen Beratung zurück.
    Als bald darauf der Dicke – ich glaube, er hieß Trachjaz – zu mir kam und fragte: ›Und wenn deine Geschichte stimmt ...? Wieso sollten wir dir nicht einfach die Kehle durchschneiden? Warum sollten wir dich leben lassen?‹, da wußte ich, daß ich gewonnen hatte.
    ›Weil ihr damit eure Lage verbessert, Rotschopf! Denk doch einmal nach! Eigentlich sitzen wir alle in einem Boot. Meine Freunde und ich wollen natürlich nicht in die Fänge der Fürstin geraten. Wenn ihr mich freilaßt, kann ich mich meinen Freunden wieder anschließen und ihnen dabei helfen, Ilsur sicher zu erreichen. So lange aber, wie wir auf freiem Fuß sind, wird sich niemand die Mühe machen, nach euch zu suchen. Ihr gewinnt Zeit, um euch in aller Ruhe im Finsterkamm zu verstecken ...‹
    ›Was sollen wir im Finsterkamm anfangen? Da gibt es massenhaft Goblins und nichts zu fressen.‹
    ›Na, ist mir doch gleich, wohin ihr euch verkrümeln wollt. Hauptsache, du hast verstanden, worauf es ankommt, und das hast du doch?‹
    Seine beiden Kameraden waren zwar weniger kräftig gebaut, aber offenbar konnten sie schneller denken – oder sollte ich sagen, sie waren noch dümmer als der Dicke? Na, sei es, wie es will, jedenfalls knieten sie sich gemeinschaftlich über mich, lösten meine Fesseln und verstauten die Lederriemen in ihren Gürteltaschen.

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