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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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Kampfgetümmel erhob. Die massigen Muskelberge spannten sich. Ausgewachsene Seebären flogen wie Stoffpuppen durch die Luft.
    Ein allgemeines Gedränge in Richtung Eingangstür setzte ein. Ich hielt meine Last fest gepackt und ließ mich einfach vom Strom nach draußen schieben.
    »Wie schön, daß ihr endlich kommt«, sagte eine Stimme neben mir. Viburn – er trug tatsächlich wieder seinen Hut und seine Jacke – stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf.
    »Komm, ich helfe dir tragen.«
    Wir legten Mädchen auf ihren Umhang, ergriffen unsere Last und setzten uns in Bewegung.
     
    Mädchen lag auf einem Bett beim Fenster. Ihr Unterkiefer hing schlaff herab, ihr Mund stand weit offen, und sie schnarchte wenig damenhaft.
    Viburn und ich hockten auf einem anderen Bett. Wir redeten. Nachdem wir anfangs gleichzeitig und völlig wirr alles hervorgesprudelt hatten, was uns auf dem Herzen lag, einigten wir uns schließlich darauf, eine gewisse Reihenfolge einzuhalten. Ich machte den Anfang und berichtete von all unseren Erlebnissen, seit Viburn uns verlassen hatte. Viburn hörte mir aufmerksam zu, ohne mich zu unterbrechen. Nur einmal, als ich erzählte, wie wir vergeblich vor dem Praiostempel auf Elgor, Larix und Junivera warteten, wurde er unruhig und wollte etwas sagen. Doch dann entschied er sich weiter zu schweigen.
    Ich beendete meinen Bericht mit dem unangenehmen Erlebnis vor dem Neunauge.
    »Also los«, drängte ich dann. »Jetzt bist du an der Reihe. Wie konntest du den Goblins entkommen? Hast du sie im Schlaf erstochen, oder hast du ihnen eingeredet, daß es das beste für sie sei, dich laufen zu lassen?«
    »Genau.«
    »Was soll das heißen – genau?«
    »Ich habe sie überzeugt.« Mit einem selbstgefälligen Lächeln strich sich Viburn die Locken aus der Stirn. »Gewissermaßen an ihre Vernunft appelliert.«
    Goblinvernunft? Ich verschränkte die Arme vor der Brust und wartete ab.
    »Für dich sind Goblins eben nur strohgefüllte Affenköpfe«, fuhr Viburn fort. »Deshalb fällt es dir auch so schwer, mit ihnen auszukommen. Ich dagegen verstehe es, in ihnen unsere pelzigen Mitbürger zu sehen.« Er lachte. »Für mich sind sie Aventurier wie du und ich, darum kann ich mich auch so gut in sie hineinversetzen.«
    Mädchen rief im Schlaf meinen Namen. Mir fiel plötzlich ein, daß ich Viburn nicht alle meine Erlebnisse lückenlos geschildert hatte. Einen Bereich hatte ich ausgespart, obwohl gerade der mich stark beschäftigte. Gemeinsam mit mir hatte Viburn zu unserem schlafenden Findelkind hinübergeschaut. Jetzt trafen sich unsere Blicke. Voller Unbehagen dachte ich daran, daß es für uns noch einige Schwierigkeiten geben würde, aber ich entschied, der Zeitpunkt für ein ›Gespräch unter Freunden‹ sei noch nicht gekommen.
    »Nun erzähl schon!« forderte ich Viburn auf. »Wie hast du unsere haarigen Mitaventurier betört?«
    »Wo soll ich anfangen? Über meine Gefangennahme weiß ich nicht viel. Der Kampf fing eben an, mir zu gefallen – ich hatte schon zwei Strolche aufs Fichtennadelstreu geschickt –, da war die Szene plötzlich zu Ende. Als die Handlung wieder einsetzte, lag ich an Händen und Füßen gefesselt unter einem regentriefenden Stechpalmenbusch, ein paar Schritte entfernt von dem murmelnden und belfernden Goblintrio.
    Während ich vorsichtig meine Fesseln untersuchte – gute Arbeit, ein Handwerk, auf das sich die Goblins verstehen –, lauschte ich heimlich dem goblinischen Geplapper, bis ich ausreichend im Bilde war. Dann mußte ich nur noch auf den geeigneten Augenblick warten, um mit meinen neuen Freunden ins Gespräch zu kommen. Als das kräftigste der drei Affengesichter eben sagte: ›Wenn wir nur seinen Kopf in Beilunk abliefern, haben wir unterwegs keine Scherereien mit ihm ... Und die Dukaten bekommen wir sowieso‹, schaltete ich mich ein:
    ›Gar nichts werdet ihr bekommen. Ob ihr nun meinen Kopf abliefert oder meinen dicken Zeh.‹
    Die drei hatten, in Lederhäute gehüllt, auf dem Boden gehockt und sich den Regen auf die runden Schädel prasseln lassen, jetzt flogen ihre Köpfe herum, und ihre gelben Augen starrten mich an. Plötzlich redeten alle durcheinander: ›Der Hund spricht unsere Sprache!‹ – ›Schneid ihm die Zunge heraus!‹ – ›Hau ihn in Stücke!‹ – ›Zieh ihm die Haut ab!‹ – ›Was hat er gesagt?‹ – ›He du, wie hast du das eben gemeint, rede, du Specht!‹
    Ich war nur zu bereit zum Reden, aber der kräftigste der drei Goblins mußte seinen

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