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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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Kissen zurück und schlief wieder ein.
     
     
     

 
     
    Auf dem Heimritt quälte Hana die Frage, ob sie wirklich genug für ihre geliebte Yppolita getan hätte. War ihr Sonnenstrahl jetzt in Sicherheit? Hana stellte sich vor, wie sie vor Ulissa, ihre Königin, träte. Wie sollte sie das königliche Verhör, ohne zu lügen, überstehen? Wenn Ulissa nun Verdacht schöpfte und ihr befahl, die Wahrheit zu sagen?
    Je näher sie ihr Ritt nach Kurkum führte, desto elender war ihr zumute. Ulissa würde alles aus ihr herausfragen. Dann würde sie sie zwingen, Yppolitas Mörderinnen zur Höhle des Druiden zu führen. Eine Amazone kennt den Selbstmord nicht, darum blieb Hana dieser Ausweg verwehrt. Hana kannte die Lüge nicht, und sie konnte sich nicht vorstellen, einen königlichen Befehl zu verweigern.
    Und doch hatte Hana, als sie das Tor des Palastes von Kurkum erreichte, eine Lösung gefunden: Sie brachte ihr Pferd zum Stehen, zog zwei Pfeile aus dem Köcher auf ihrem Rücken und stieß sich die Spitzen mit einem Ruck tief in beide Augen. Nun würde niemand Yppolitas Mörderinnen zur Druidenhöhle führen können.
     
    Vom Hafen her fegte ein kalter Wind durch die Straßen von Beilunks Oberstadt und riß die letzten Blätter von der mächtigen Linde vor dem Praiostempel. Die Kälte fand immer neue Wege durch meine Kleider, so eng ich mich auch in meinen Umhang wickelte. Während ich mit der einen Hand Viburns Hut, den ich mir geliehen hatte, fest auf den Kopf preßte und mit der anderen meinen Umhang zusammenhielt, dachte ich an Mädchen und den Streuner, die jetzt behaglich in ihren warmen Betten lagen. Viburn, elende, eigensüchtige Streunerseele! Er hatte mir gesagt: »Du weißt, was ich von deinen Befreiungsabsichten halte, aber du willst ja nicht auf mich hören. Du willst dich ja unbedingt in der Oberstadt umschauen und einen Plan aushecken, wie du deine Freunde aus dem Verlies holen kannst. Bitte schön, dann schaue dich um und hecke einen Plan aus! Ich für meinen Teil ziehe es vor, noch eine Mütze Schlaf zu nehmen. Unausgeruht bin ich nur ein halber Mensch.«
    Darum schlenderte ich nun allein durch Beilunks Straßen, ohne recht zu wissen, was für ein Ziel ich eigentlich verfolgte. Am Fürstenpalast hatte ich mir von einem vermummten, unfreundlichen Passanten den Turm zeigen lassen, in dessen Fuß sich die Kerkerzellen befanden. Das Bauwerk erwies sich als ausgesprochen düster. Aus der Zinnenkrone an der Spitze war ein Stück des Mauerwerks herausgebrochen, die schwarz verwitterten Steine kündeten vom hohen Alter des vierzig Schritt hohen Turmes, der die jüngere und besser gepflegte Palastmauer weit überragte. Ich hatte auch einen Blick auf die schmalen Schießscharten im Kerkerturm geworfen: breit genug, um hinausschießen zu können, aber nicht dazu gedacht, einem heimlichen Besucher Einlaß zu gewähren.
    Dicht an die Hauswände gepreßt, um Schutz vor einem plötzlich einsetzenden Eisregen zu nehmen, war ich zum Hesindetempel geschlichen, in dem ich mich ein wenig aufwärmen wollte. Zwei Priester am Eingang hatten mich fortgeschickt – der Tempel sei für meinesgleichen nur während der Gebetsstunden geöffnet, und gebetet werde erst wieder am nächsten Tag um die achte Stunde. Wenn ich aber dennoch den Altarraum aufsuchen wollte, vielleicht um der Göttin eine angemessene Spende ... Ich hatte abgewinkt – so kalt war mir nun auch wieder nicht! Eine üble Stadt, dieses Beilunk! Jetzt stand ich im Schutz eines Hoftores, spähte über den menschenleeren Marktplatz und sah den vor den peitschenden Regenböen fliehenden Blättern zu. Eben fiel mein Blick auf eine Holzfigur an einer Hausfassade auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes, einen schwarz bemalten Bären, da drang aus der Ferne Hufgeklapper an mein Ohr. Das Getrappel kam rasch näher, es schallte durch die Straße, die zum Osttor führte. Dann bog eine Gruppe von zehn gepanzerten Kriegern um eine Hausecke und sprengte auf den Platz. Auf ein Zeichen des vordersten Reiters drosselte die Schar ihr Tempo, und die Pferde überquerten den Platz in unruhig tänzelndem Schritt. Die Krieger waren allesamt Frauen – große, kräftige Gestalten, aber zweifellos Frauen, daran konnte es keinen Zweifel geben. Sie trugen Rüstungen, wie sie im Süden, zum Beispiel in Aranien, üblich sind, also Helm, Brust- und Schienbeinpanzer und dazu kurze Röcke aus bunten Lederstreifen. Die bronzenen, polierten Panzer wiesen mit goldenem Blattwerk verzierte

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