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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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sagen wir einen Steinmetz – bei der Arbeit beobachtet: Mal rutschten sie auf Zehenspitzen, den Rücken eng an die Steine gepreßt, an einer Hauswand entlang, dann sprangen sie mit langen, lautlosen Sätzen von einer Türöffnung zur nächsten, um gleich darauf auf alle viere zu sinken und im Schutz einer niedrigen Vorgartenmauer weiterzukriechen. Alle diese Fortbewegungsarten wechselten sie gleitend, fast übergangslos, und sie behielten immer das – recht zügige – Tempo der Amazonen bei. Eine unsichtbare Hand schien Viburn und Mädchen zu führen und ihnen zu zeigen, welches der günstigste und sicherste Weg für sie sei, denn ich sah sie niemals auch nur einen Blick auf ihren Schleichpfad verwenden, ihre Augen ruhten unverwandt auf den huschenden Gestalten, die wir verfolgten.
    Ich war recht froh darüber, daß ich das Ende unserer kleinen Gruppe bildete, denn so brauchte ich mich nur nach meinen Vorderleuten zu richten. Bald schon gab ich es auf, selbst nach den Amazonen auszuspähen – ich ließ mich einfach fallen, wenn Mädchen zu Boden glitt, und hüpfte in eine Toreinfahrt, wenn Mädchen sprang.
    Unser Weg führte uns durch die halbe Oberstadt. Da wir nicht wußten, ob auf dem Plan des Gangs auch vermerkt war, an welcher Stelle in der Stadt er endete, und da wir von den Amazonen diese Mitteilung niemals bekommen würden, hatten wir entschieden, uns von den Kriegerinnen zu diesem Endpunkt führen zu lassen. Danach würde man weitersehen.
    Nachdem die Amazonen auf der Nordseite des Praiosplatzes entlanggeschlichen waren, bogen sie in eine Straße ein, die zum alten Fürstenpalast, dem jetzigen Amtssitz des Markgrafen, führte. Doch die Kriegerinnen folgten nur ein Stück weit dem Verlauf der Palastmauer, dann setzten sie ihren Weg durch eine schmale, von hohen Giebelhäusern gesäumte Gasse in Richtung auf das östliche Stadttor fort. Bevor sie es erreicht hatten, änderten sie wiederum die Richtung und gingen nun an der dunkel aufragenden Stadtmauer entlang. Hier konnten wir ihnen sehr leicht folgen, denn zwischen der Mauer und den äußersten Häusern der Stadt wuchs allerlei Gesträuch, das uns gute Deckung bot.
    »Halt, wer da?«
    Vor den Amazonen waren plötzlich zwei Männer aus dem Boden gewachsen. Wir sahen die Topfhelme der Stadtgardisten im Madamal blinken.
    Ein zweiter Ruf verwandelte sich in ein gurgelndes Röcheln. Stoff raschelte, Atem keuchte, ein dumpfer Fall, noch einmal prasselten Zweige unter einer schweren Last. An der Stelle, wo eben noch die Amazonen und die Soldaten gestanden hatten, war niemand mehr zu sehen.
    Wir warteten.
    Nach kurzer Zeit lösten sich drei Gestalten aus dem Schatten einer Buschgruppe. Sie huschten hinüber zu einer kleinen Pforte im Fuß eines Befestigungsturmes. Offenbar war die Tür verschlossen, denn es dauerte eine ganze Weile, bis wir ein Knacken hörten und die Pforte nach innen schwang. Die Amazonen schlüpften durch die Öffnung und zogen die Tür hinter sich zu.
    Bald hatten auch wir den Mauerturm erreicht. Ganz in der Nähe lagen die leblosen Körper der beiden Soldaten. Mädchen tat einen Schritt in ihre Richtung, aber Viburn hielt sie am Arm fest.
    »Brauchst sie dir gar nicht anzusehen«, zischelte er. »Der eine hat das Genick gebrochen, dem anderen wurde die Kehle durchgeschnitten. Darauf wette ich. Die beiden werden uns nicht mehr stören.«
    Ich lauschte an der Pforte. Von drinnen waren Stimmen und ein leises Schaben zu hören. Tappende Schritte entfernten sich, dann wurde es still.
    »Sie sind uns entwischt«, stellte ich fest. »Wir hätten zuschlagen sollen, als sie mit dem Türschloß beschäftigt waren.«
    Viburn schüttelte bedächtig den Kopf. »Was heißt entwischt? Wir wissen doch, wo sie sind. Wie du gehört hast, soll der Weg durch den Gang gefährlich sein. Ich finde es gar nicht schlecht, wenn die Damen weiterhin vor uns hergehen und uns da ein wenig Arbeit abnehmen ... Aber nun rasch, damit wir sie nicht aus den Augen verlieren!«
    Die Pforte war nur angelehnt. Ich stieß sie auf und wäre fast in ein Loch gestürzt, das unmittelbar vor meinen Füßen im Boden klaffte – eine offene Luke! Viburn drängte mich zur Seite, ließ sich auf die Knie fallen und griff tastend in die schwarze Öffnung hinein. »Hier steht eine Leiter«, verkündete er flüsternd, schwang sich über den Rand und war bald in dem Loch verschwunden. Kurz darauf tauchte sein Kopf wieder auf. Ich beugte mich zu ihm herab.
    »Ein Schacht«, berichtete er mit

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