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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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Das Tier krümmte und wand sich wie eine Made in einem Ameisenhaufen. Die schwellenden Massen gaben Mädchens Körper frei. Junivera sprang herbei, um ihr auf die Füße zu helfen, aber Mädchen stieß ihr die flache Hand ins Gesicht, rollte sich herum und zog sich mühselig an der Wand nach oben.
    Ich beteiligte mich nicht mehr an dem Kampf gegen das Brunnenungeheuer. Nach ein paar Schlägen hatte ich bemerkt, daß es sich nicht länger zur Wehr setzen konnte. Wahrscheinlich war es schon tödlich getroffen, während es sich noch der Geweihten nachwälzte. Jetzt bog sich der ganze Leib nur noch im Todeskampf. Auch die anderen ließen von dem Ungeheuer ab. Gewiß konnten noch Stunden vergehen, bis der Riese endlich gestorben war, unsere Säbelhiebe würden sein Ende kaum beschleunigen.
    Ohne noch einmal über die Schulter zu blicken, zogen wir uns zurück. Viburn ließ das Gitter herab und klemmte die Sperre fest.
    Auf dem Weg durch den Gang übernahm Larix die Führung. Immerhin konnten wir auf dem Hinweg durch Zufall einer Falle entgangen sein, und die wollten wir jetzt nicht auslösen. Mir erschien diese Vorsichtsmaßnahme überflüssig, außerdem war höchste Eile geboten. Jeden Augenblick konnte die Flucht der Gefangenen entdeckt werden – die Stadtgardisten brauchten dann nichts anderes zu tun, als am Ende des unterirdischen Ganges auf uns zu warten. Es erwies sich aber bald, daß wir unter Larix' Führung kaum Zeit verloren. Er hastete flink wie ein Wiesel durch die Tunnel und Schächte, wobei die kleinen, listigen Augen unablässig über Wände, Boden und Decke huschten. Ein- oder zweimal wies er uns an, eine bestimmte Steinplatte nicht zu betreten, ob zu Recht oder aus Wichtigtuerei (wie Viburn vermutete), mochte ich nicht entscheiden.
    Bald hatten wir die Stelle erreicht, wo die Wendeltreppe in der Stadtmauer hinaufführte. Wir beschlossen jedoch, dem Gang weiter, unter der Mauer hindurch, zu folgen. »Irgendwo werden wir schon an die Oberfläche kommen«, brummelte Larix zuversichtlich.
    Zunächst aber fiel der Gangboden leicht ab und verlief viele hundert Mannslängen schnurgerade nach vorne. Wände und Decke waren mit schimmelbedeckten Brettern verschalt. Auf dem Boden stand Wasser, manchmal knöchelhoch, manchmal reichte es uns bis zu den Knien. Einmal versank Larix in einer mit Wasser vollgelaufenen Grube. Elgor zog ihn am Kragen wieder heraus und dankte ihm für die aufopferungsvolle und zugleich unterhaltsame Weise, in der uns der Zwerg auf die Gefahren des Weges aufmerksam machte.
    Endlich standen wir vor einer hölzernen Treppe. Larix prüfte sie gründlich, stieg dann Stufe um Stufe nach oben, bis er auf eine Falltüre stieß. Nachdem er eine Weile lauschend unter der Luke verharrt hatte, drückte er sie mit einem Ruck nach oben. Sie klappte polternd um.
    Wir hatten erwartet, daß helles Tageslicht zu uns hinunterfiele, aber der Raum über der Luke war genauso finster wie der unterirdische Gang. Larix hielt eine Fackel durch die Öffnung. »Nichts!« meldete er. »Nur ein hoher, runder Raum mit einer Leiter, die weiter nach oben führt.«
    Wir folgten ihm hinauf in das runde Dunkel, das genauso aussah, wie er es beschrieben hatte.
    Larix wollte die Leiter hinaufsteigen, aber Viburn hielt ihn zurück. »Ich wette, daß wir uns bereits über dem Erdboden befinden – und hier bist du nicht mehr zuständig. Die Fackel, wenn ich bitten darf!«
    Die Leiter führte zu einer quadratischen Öffnung in der hölzernen Decke. Viburn kletterte hoch, hielt unter dem Loch kurz inne und verschwand im oberen Zimmer. Bald tauchte sein Kopf wieder in der Öffnung auf.
    »Wenn ihr möchtet, könnt ihr zu mir heraufkommen«, rief er von oben. »Zu sehen gibt es allerdings nicht viel: Ein runder Raum ohne Fenster, genau wie dort unten – mit dem Unterschied, daß hier oben eine Strickleiter liegt.«
    »Dann schnell zurück zu dem anderen Ausgang – ehe es zu spät ist!« sagte Elgor und wollte sich auf den Weg machen, aber Larix murmelte etwas wie: »... das kennt man doch ... genau wie in der alten Burg von Mendena ...« und hastete die Leiter hinauf.
    Wir hörten ihn oben mit Viburn sprechen, anschließend waren nur noch gelegentlich Schritte auf den Dielen zu vernehmen, dann Larix heisere Stimme: »Hier, Viburn, faß mal mit an!« Etwas knirschte, Stein auf Stein, und durch die Deckenöffnung fiel plötzlich ein blasser, grauer Schein.
    Einer nach dem anderen kletterten wir die Leiter hinauf. Oben standen Viburn

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