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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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Reiter!«
    Der Weg war auf der Seeseite von einer unregelmäßigen, windschiefen Hecke gesäumt. Hinter einer ihrer Buschgruppen kauerten wir uns jetzt auf den Boden. Nur Larix blieb stehen und spähte vorsichtig durch eine Lücke zwischen den Dornranken.
    »Es sind mindestens fünfzehn«, meldete er. »Sie kommen von Beilunk und reiten geradewegs zu dem Wäldchen, in dem der Fluchtturm steht.« Nach einer Pause: »In der Ferne, bei der Stadt, sehe ich noch eine zweite Gruppe, größer als die erste. Aber die reitet nach Norden.«
    »Scheint, daß sie euch vermissen«, sagte Viburn zu Elgor.
    »Hat lange gedauert – die Beilunker Garde scheint nicht die schnellste zu sein.«
    Inzwischen hatten wir uns alle wieder so weit aufgerichtet, daß wir das Gelände überblicken konnten. Wir beobachteten, wie der Reitertrupp im Wäldchen verschwand.
    »Tja«, stellte Larix fest, »nun werden sie bald wissen, daß wir in der Nähe sein müssen. Nur gut, daß kein Schnee gefallen ist. Auf dem hartgefrorenen Boden könnte nur ein hungriger Oger unsere Fährte verfolgen.«
    Tatsächlich ritten die Verfolger bald wieder aus dem Gehölz heraus – auf einem Weg, der in beträchtlicher Entfernung parallel zu unserem Feldweg verlief.
    Wir warteten, bis die Reiter verschwunden waren, dann verließen wir unsere Deckung. Jetzt kamen wir nicht mehr so schnell voran: Wir schlichen gebückt an den Hecken entlang, vor jeder freien Fläche blieben wir stehen, um erst, wenn wir uns einigermaßen sicher fühlen konnten, mit großen Sprüngen das offene Feld zu überqueren. Wir schlugen einen weiten Bogen um ein kleines Dorf, das sich zwischen uns und den fernen Bergen auf einem kleinen Hügel erhob. Ein-, zweimal flüchteten wir uns in einen Entwässerungsgraben, brachen durch eine dünne Eisschicht und standen im knietiefen, schneidend kalten Wasser, während am Horizont eine Reiterschar vorübersprengte.
    Wir hatten die Ausläufer der Beilunker Berge schon fast erreicht, als wieder einmal harter Galoppschlag erklang. Den einzigen Schutz weit und breit bot eine kleine Gruppe aus dürren, kahlen Sträuchern. Wir zwängten uns zwischen den starren Zweigen hindurch und warfen uns auf den Boden.
    Plötzlich sprang Junivera, die seit Stunden kein Wort gesprochen hatte, wieder auf. »Wir sollten uns stellen und kämpfen!« rief sie. »Es kommen nur drei von diesen Schwächlingen auf jeden von uns! Dieses ewige Versteckspiel ist würdelos und meiner Göttin nicht wohlgefällig!«
    Mädchen richtete sich halb auf. Mit glattem Schwung riß sie den Säbel aus der Scheide und setzte die Spitze an Juniveras Hals. »Auf den Boden mit dir, sofort!«
    Junivera zögerte. In ihrem Blick mischte sich Zorn mit Verzweiflung.
    »Herunter, sage ich dir!«
    Die zarte Haut spannte sich unter dem Druck der Klinge. Junivera ließ sich auf den Boden gleiten.
    »Es gibt eine Zeit zu kämpfen«, sagte Mädchen ernst, »und eine Zeit, da man sich klein machen muß. Zeit zu kämpfen hattest du heute morgen, du hast sie nicht genutzt.«
    Die Geweihte sah Mädchen schweigend an, ihre Fäuste waren geballt, die Lippen bebten.
    Diesmal ritten die Gardisten so dicht an uns vorüber, daß wir sie miteinander reden hören konnten.
    »... unsinnig, was wir hier treiben – die sind flußaufwärts entwischt!«
    »Dann wären sie Hauptmann Batell in die Arme gelaufen. Nein, ich bin mir sicher, die steuern die Beilunker Berge an.«
    »... umkehren? Auf keinen Fall! Dir juckt wohl der Rücken? In Beilunk wird man dich kratzen – mit dem Ochsenziemer. Wir sollten ...«
    Und fort waren sie. Ihr Anführer hielt genau auf die Berge zu.
    Wieder mußten wir einen großen Bogen schlagen. Viburn hatte vor einiger Zeit zu hinken begonnen, kaum merklich zunächst, doch jetzt schien ihm jeder Schritt schwerzufallen.
    »Sollen wir rasten?« fragte ich.
    »Bist du verrückt? Kümmert euch nicht um mich! Ich komme schon zurecht. Sobald wir die Berge erreicht haben, sehe ich mir das Bein mal an. Jetzt haben wir Wichtigeres zu tun.«
    Endlich gelangten wir in günstigeres Gelände: Frisch gerodete Flächen wechselten mit kleinen Gehölzen, Acker mit sumpfigen Wiesen. Überall durchzogen von Weidengestrüpp gesäumte Gräben das Land. Es fiel uns nicht schwer, in dieser Landschaft ungesehen voranzukommen. Nur Viburns Bein machte mir Sorgen. Er stöhnte jetzt bei jedem Schritt und war sogar bereit, sich von mir stützen zu lassen, für ihn ein sehr ungewöhnliches Verhalten. Als das Gelände

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