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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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die Augen
sah. Hinter ihm konnte ich ein Eisentor entdecken, und Bäume jenseits davon.
Mein Herz sehnte sich schmerzhaft nach dem Himmel, Wind und Bäumen.
    Franklin lächelte. »Es ist am besten,
nicht über das nachzudenken, was man vermisst«, sagte er, und dieses Mal glaubte ich zu sehen, wie sich seine Lippen bewegten. »Isst du?«
    Ich wollte zu sprechen ansetzen, doch er
hob eine Hand. »Du darfst nur nicken oder ganz leicht den Kopf schütteln«,
sagte er, »wie du es mit den anderen machst.« Ich nickte kaum merklich, wie wir
Jungen es inzwischen alle taten.
    »Gerrard auch?«
    Ich nickte wieder.
    »Ich habe auf euch gewartet«, sagte er.
»Auf euch beide.«
    Ich wollte ihn fragen, was er damit
meinte, aber meine Gedanken waren schwach und langsam, und ehe ich meine Frage
flüstern konnte, war er schon verschwunden. Die Bäume und das eiserne Gatter
schmolzen zusammen. Ich richtete mich auf, blinzelte und erwachte. Da war ich
wieder im Unterrichtszimmer. Alle waren damit beschäftigt, mit geschlossenen
Augen das erste Atemmuster zu üben. Franklins Gesicht war so ruhig wie ein
Teich an einem windstillen Tag. Ich spürte ein Gähnen in meiner Kehle
aufsteigen und unterdrückte es. Noch nie zuvor war ich im Unterricht eingedöst,
und ich war so dankbar, dass es Franklin nicht aufgefallen war. Ich wusste, dass ich etwas geträumt hatte, aber
ich konn te mich nicht daran erinnern.
    Dann begann ich mit der Atemübung und
bemerkte, wie ich die anderen Jungen anstarrte. Wenn ich das alles irgendwie
überlebte, dann würde ich auch einen Weg nach
Hause finden, und ich würde als Erstes meinen Va ter töten, dann die Väter
der anderen. Der Gedanke kam zu rasch, als dass ich ihn noch hätte zurückdrängen
können; mein Herz machte einen Satz, und meine Hände ballten sich zu Fäusten.
Und schließlich spürte ich, wie sich in meinem Bauch ein Gefühl von Frieden ausbreitete,
das mir Angst machte. Ich atmete mit wilder Entschlossenheit, um meine Gedanken
auszulöschen.
    Alle.

37
     
    SADIMA WRANG DEN WASCHLAPPEN AUS UND
SCHAUDERTE; IHRE NASSE HAUT WAR KALT. SIE MUSSTE ERST mittags bei Rinka sein, so hatte sie einen halben Tag frei, da Franklin
und Somiss nicht da waren. In ihrem Bauch drückte ein winziger Knoten, der
daher stammte, dass sie sich Sorgen machte. Aber trotzdem hatte sie bis auf den
letzten Tropfen alles heiße Wasser aufgebraucht, um zu baden. Ihre Kleider
waren sauber und hingen zum Trocknen auf dem Gestell über dem Ofen. Sie griff
nach dem Saum ihres besseren Kleides, das kaum noch klamm war. Deshalb zog sie
es zu sich herunter und schlüpfte hinein; dann fuhr sie sich mit dem Kamm durch
die Haare. Als sie fertig war und ihr nasses Haar ordentlich geflochten hatte,
spürte sie, wie sich der Knoten langsam verhärtete.
    Somiss hatte ihr gesagt, sie würden nicht
vor dem Mittagessen zurückkehren, und er hatte ihr nichts zum Abschreiben
dagelassen, während sie fort waren. Er hatte abgelenkt und nervös gewirkt. Also
hatte sie Franklin gefragt, wohin sie gingen, und er hatte sie angelogen.
    So einfach war das. Franklin hatte
behauptet, er kenne das Ziel nicht. Aber als die beiden Männer die Treppe
hinabstiegen, hatte Sadima sie belauscht. Somiss hatte Franklin gefragt, ob er
den Weg kenne. Und Franklin hatte mit Ja geantwortet,
er sei sich sicher, wo sie ent langgehen
müssten. Sadimas Haut prickelte. Wohin woll ten sie? Wieder zum Hang?
Warum? Um nach der steinernen Stadt aus den Geschichten zu suchen, die man sich im Winter am Feuer erzählte? Wahrscheinlich. Wa rum
auch nicht? Es könnte sie darin bestärken, dass sich all ihre Arbeit und Mühe
lohnten.
    Seit jenem Tag im Wald war es Somiss immer
besser gegangen, und er hatte mehr geschlafen und gegessen. Und er war viel
freundlicher zu Franklin. Auch mit Sadima sprach er mittlerweile hin und
wieder, und sie war sich nicht ganz sicher, ob sie darüber froh oder traurig
sein sollte. Sie bemerkte auch manchmal, wie er sie beobachtete, woraufhin sie
sich immer unbehaglich fühlte. Doch Franklin hatte ihr gesagt, sie solle sich
keine Sorgen machen, es würde nur bedeuten, dass Somiss sie mochte und
akzeptierte. Das hoffte sie. Es wurde auch langsam Zeit.
    Einem Impuls folgend, öffnete Sadima die
Türen zu dem winzigen Balkon und trat hinaus
in die Morgenson ne. Die Straßen waren
noch menschenleer, sodass sie ihr Ba dewasser ausschütten konnte. Dann
stand sie im Licht und genoss lange die frische Luft.
    Doch schließlich ging sie wieder

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