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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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hatten, taten jedoch so, als
wenn ich ihm noch immer folgen musste. Er wiederum gab vor, so zu tun, als
versuche er, Essen entstehen zu lassen, und versagte. Und ich erschuf einige
Apfel, woraufhin wir den Raum wieder verließen.
    Gerrard und ich hatten nicht ein einziges
Mal darüber gesprochen, aber wir verstanden einander. Wir wollten nicht, dass
diejenigen, die nichts essen konnten, erfuhren, dass wir genug zu uns nahmen.
Für mich war das ganz leicht: Anders hätte ich es nicht ertragen, denn ich
schämte mich dafür, dass ich zu verängstigt war, um ihnen zu helfen. Für
Gerrard war die Sache vermutlich komplizierter und eher eine Strategie im Wettlauf
darum, wer am Ende den Abschluss scharfen würde.
    Dann, eines Tages oder eines Nachts oder
was auch immer es sein mochte, stellte ich fest, dass Levin etwas besser
aussah. Ich fing seinen Blick auf, als er in Franklins Unterricht kam, und
berührte meinen Bauch, als würde ich meinen Umhang glätten. Er schenkte mir ein
knappes Nicken, das nur wahrzunehmen gewesen wäre, wenn man uns beide
beobachtet hätte. Auch dass ich meine Mundwinkel ein winziges Stück in die Höhe
zog, dürfte keiner bemerkt haben, der nicht seinen Blick auf mich geheftet
hatte. Levin blinzelte zweimal und drehte sich dann von mir weg. Wir hatten
gelernt, uns ohne Worte auszutauschen.
    Ich sah mich im Raum um. Auch Jordan und
Luke schienen weniger benommen zu sein. Hatten Levins Zimmerkameraden einander
geholfen? Hatten sie Somiss’ Anweisungen missachtet? Die Härchen an meinen
Armen richteten sich voller Hoffnung und Furcht auf. Dann sah ich Tally hinter
ihnen herschlurfen, und meine Freude versiegte. Seine Augen waren halb
geschlossen, sein Gesicht eingefallen. Ich musste den Blick abwenden, und mein
Puls pochte in den Schläfen.
    Verdammt.
    Wie konnten sie mit ihm in einem Zimmer
sein und zusehen, wie er immer schwächer wurde, und ihm trotzdem nichts zu
essen abgeben? Aber vielleicht weigerte er sich auch, Hilfe anzunehmen, wie
Gerrard es getan hatte. Oder möglicherweise hatten sie versucht, ihn zu unterstützen,
und Somiss hatte es ihnen wieder ausgetrieben.
    Dann kam Will als Erster dieser anderen
Gruppe herein. Seine Wangen waren ein wenig gerötet, und er war kräftiger,
nicht schwächer geworden. Aber bei seinen Zimmergenossen sah es anders aus.
Robs Haut spannte sich über den Knochen, und Joseph lief langsam, als müsste er
mühsam wie ein alter Mann das Gleichgewicht halten. Der vierte Junge sah am
schlechtesten aus.
    Ich schaute in eine andere Richtung, als
sich alle hingesetzt hatten, und wünschte, dass Franklin bald auftauchen würde,
damit wir etwas anderes zu tun bekämen, als uns gegenseitig anzustarren.
    Aber es war nicht Franklin, der erschien,
sondern Somiss trat durch die Wand wie Wasser, das durch Kleidung sickert, und
blieb vor uns stehen. Wir alle richteten uns auf und wandten ihm unsere
Gesichter zu. Er blickte uns einem nach dem anderen in die Augen. Ich spürte,
wie sich mein Rückgrat verkrampfte, als ich an der Reihe war. Somiss beendete
den Halbkreis und räusperte sich.
    »Hört auf, einander zu helfen, wenn ihr
leben wollt«, sagte er mit seinem heiseren Flüstern.
    Ich blinzelte, und schon war Somiss wieder
verschwunden. Stattdessen war plötzlich Franklin da. Er ließ sich geschmeidig
wie üblich auf den Boden sinken und kreuzte die Beine, sodass wir die Sohlen seiner
nackten Füße sahen. »Das erste Atemmuster«, sagte er. »Langsam, langsam,
langsam.«
    Ich schloss müde und gehorsam die Augen.
Mich be ruhigten alle Atemmuster, aber dieses
erste und einfachs te liebte ich ganz besonders. Ich konnte spüren, wie die
Luft in meine Lungen strömte, langsam wie eine kriechende Schnecke, dann
beschrieb sie in mir einen Kreis und drang wieder hinaus. Auch dass meine Gedanken
sich beruhigten, konnte ich spüren, und schließlich herrschte endlich Stille in
meinem Kopf. Verwundert bemerkte ich, dass ich nicht mehr länger ängstlich war.
Es war, als triebe ich auf warmem Wasser.
    »Öffnet die Augen«, befahl uns Franklin
mit sanfter Stimme.
    Aber es waren nicht mehr wir . Es
war nur noch ich, und als ich die Augen aufschlug, saß Franklin rechts neben
mir auf dem kühlen Stein. Er warf mir einen Blick von der Seite zu, und ehe ich
etwas sagen konnte, legte er einen Finger auf die Lippen. »Du kannst sie nicht
sehen, aber sie befinden sich noch immer alle rings um uns herum.« Er sprach
mit mir, obwohl sein Mund geschlossen blieb und er mir nur tief in

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