Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
verschiedenen Karussells auf. Manchmal ganze Lichterketten, dann wieder nur einzelne Leuchten. Es widersprach jeglichen Naturgesetzen. Irgend eine unheimliche, nicht faßbare Kraft schien diese Dinge zu beeinflussen.
Ich konnte diese Energien als dumpfen Druck hinter den Schläfen spüren. Ja, hier war zweifellos etwas... Jemand...
Und dieses Wesen - oder worum auch immer es sich handeln konnte, schien die Macht zu haben, in eigentlich unbelebte Gegenstände hineinzufahren und ihnen eine schaurige Lebendigkeit zu verleihen.
Der Gorilla beschleunigte seine Bewegungen.
Er blickte in unsere Richtung.
Seine Augen funkelten glutrot. Wie glühende Kohlen. Dieses Affengesicht mit den überhaupt nicht dazu passenden Raubtierzähnen wirkte wie eine Maske blanken Hasses, die mich unwillkürlich schaudern ließ.
"Ich habe so etwas noch nie gesehen", bekannte Tom. "Aber im Moment können wir hier nicht bleiben... Dieses Wesen scheint uns nicht zu mögen!"
Wie zur Bestätigung seiner Worte brüllte es uns seinen Schrei entgegen. Ein Schrei voller Haß und Wut... Und gleichzeitig geschah noch etwas.
Urplötzlich und sehr schnell...
Etwas dunkles, schlangenhaftes peitschte über den Boden. Es war eine jener dicken Stromkabel, die kreuz und quer über den Jahrmarkt geführt wurden, um Imbißbuden, Karussells und Schießstände mit Strom zu versorgen. Wie von einer Geisterhand geführt bewegte sich eines dieser Kabel. Es schlang sich blitzschnell um meine Füße. Ich konnte nichts machen, war unfähig rechtzeitig zu reagieren. Ein heftiger Ruck, und ich lag auf dem Boden. Schmerzhaft kam ich auf und fühlte wie ich über den sandigen Untergrund geschleift wurde.
Es ging sehr schnell.
Gleichzeitig fühlte ich einen ungeheuren mentalen Druck. Alles verschwamm vor meinen Augen. Ich strampelte, versuchte mich loszureißen und gleichzeitig einen klaren Verstand zu behalten. Es pochte wie wild hinter meinen Schläfen, und ich fühlte, wie etwas Fremdes, Kaltes in meine Gedanken einzudringen versuchte.
Es will mich vernichten! durchfuhr es mich.
Ich spürte das ganz deutlich.
Ein ungeheurer Haß, ein maßloser Zerstörungswille.
"Nein!" schrie ich, während ich über den Boden geschleift wurde.
Dem Gorilla-Monster direkt entgegen.
Der Gorilla trommelte erneut auf seinem gewaltigen Brustkorb. Es klang wie eine tiefe Conga. Dumpf und unheimlich. Der Schrei, den mir das Monstrum
entgegenschleuderte, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
Aus den Augenwinkeln heraus nahm ich undeutlich wahr, wie Tom mir folgte. Er hechtete sich zu Boden, griff nach meinem Arm.
Ich klammerte mich daran.
"Patti!" rief er.
Aber die dämonische Kraft, die das schwarze Kabel bewegte, war stärker. Unbarmherzig zog sich die Schlinge zu, die dieses Etwas um meine Knöchel gelegt hatte.
"Tom!"
Tom wurde mitgezogen und dann konnte ich mich nicht mehr an ihm festhalten. Unsere Hände wurden roh auseinandergerissen. Ich wurde weitergeschleift, dem Monstrum entgegen.
"Lauf weg, Tom!" rief ich. Denn dieser unheimlichen Macht hatte ein gewöhnlicher Mensch nicht das geringste entgegenzusetzen. ""Lauf weg!" Ich war wie von Sinnen, innerlich zerrissen vor Angst und gleichzeitig halb betäubt durch den mentalen Druck, der auf meinem Geist lastete. Und dann - einen Augenaufschlag später - lag ich vor den Füßen des Gorillas. Sie waren fiel breiter und größer, als sie bei einem echten Gorilla gewesen wären. Das Kabel schnitt mir schmerzhaft in die Fußfesseln, so stramm hatte sich die Schlinge gezogen. Meine Beine waren fest verschnürt. Ich hob ein wenig den Oberkörper und spürte schmerzhafte Prellungen an einem halben Dutzend Körperstellen. Ich zitterte und sah hinauf.
Der Gorilla war ruhig geworden. Sein Maul hatte sich geschlossen. Der Mundwinkel war an einer Seite leicht nach oben verzogen. Es wirkte fast wie die Parodie eines höhnischen, triumphierenden Lächelns. Und vielleicht war da noch etwas anderes, außer dem abgrundtiefen Haß und der Mordlust.
Neugier?
Ich wußte es nicht genau zu sagen.
Die Sekunden krochen in quälender Langsamkeit dahin. Ich hörte meinen eigenen Atem.
Du bist ihm ausgeliefert! dachte ich. Wer immer dieses Ungeheuer auch sein mag und durch welche Motive es zu seinen schrecklichen Taten getrieben wird...
Ich wagte es kaum, mich zu bewegen.
Der Blick des Gorillas ruhte auf mir. Er ließ mich nicht aus den Augen - leblosen Kunstaugen, eigentlich, die jetzt mit einer grauenerregenden Lebendigkeit erfüllt
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