Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)
wenn auch nicht über die Königin, sondern über die schwarzen Kampfhunde, in deren Lefzen noch blutiges Löwenfleisch hing. »Wie der beneidenswerte Hof beobachten konnte, erreichen diese massigen Kreaturen ihr Ziel geschwinder als der Falke die Maus. Doch ihre Treue übertrifft das Efeu, das sich um den Baumstamm rankt, und so beugen sie sich vor ihrem Herrn wie Grashalme im Wind. In des großen fränkischen Königs Augen stiegen Tränen beim Abschied von den geliebtesten seiner Kampfhunde, und dies schrieb er der erhabenen Freude zu, dem ruhmreichen Herrn über das glanzvolle Abbasidenreich ein solches Geschenk darbringen zu dürfen.«
Der Kalif nickte huldvoll und flüsterte seinem Kämmerer etwas zu. Dieser warf dem Fernhändler ein Beutelchen voller Perlen in den Schoß.
»Jetzt glaube ich, was ich über meinen Bruder Karl gehört habe«, erklärte Harun. »Dass er durch sein unermüdliches Streben, seinen Körper und seinen Geist zu üben, imstande ist, sich alles auf Erden zu unterwerfen.« Er wandte sich an Isaak.
»Die Löwenfelle wirst du dem edlen König des Nordens als kleine Anerkennung mitbringen, Dhimmi. Ich werde noch weitere Geschenke für meinen großmütigen Bruder im Frankenland auswählen. Aber aus immerwährender Liebe zu ihm und zum Dank für die beeindruckende Meute werde ich ihm meinen kostbarsten vierbeinigen Besitz zueignen. Auch ich werde darob Tränen der Freude vergießen. Mein Wesir wird dir Weisung geben.«
Am folgenden Tag wurde Isaak abermals das Portal zum Palast der wilden Tiere geöffnet; diesmal allerdings in einem Bereich fern der Löwen. Lautes Trompeten verriet ihm, welche Kreaturen hier hausten. Ihm schwante Schreckliches. Fast hätte er sich die lebendigen Raubkatzen als Gegengeschenk zurückgewünscht. Er war doch nicht Hannibal; er konnte doch nicht mit einem Elefanten die Alpen überqueren!
Als ihm Yahya zeigte, mit welchem Dickhäuter er sich auf die Reise begeben sollte, konnte er sein Entsetzen nicht mehr verbergen. Es gab ihn also wirklich, den unschätzbar kostbaren weißen Elefanten Abul Abbas, den angeblichen Glücksbringer, um den sich weit über das Abbasidenreich hinaus viele Geschichten rankten. Isaak griff sich an die Stirn und schwankte.
»Es wäre gefährlich, mit Abul Abbas im Winter im Frankenreich anzukommen«, keuchte er. »Das edle Tier würde sich auf der Reise erkälten.«
»Dann brecht ihr eben im nächsten Frühjahr auf«, beschied ihm der Wesir daraufhin.
Am 25 . April 799, als eine Verschwörergruppe in Rom den übel beleumundeten Papst Leo III . angriff und zu blenden versuchte, um ihn des Amtes, dessen er nicht würdig war, zu entheben, verließ Isaak mit seinem überaus gewichtigen Präsent sowie zahlreichen anderen kostbaren Gaben die Runde Stadt am Tigris. Noch nie hatte er eine solch riesige und bedeutsame Delegation angeführt, doch das Herz war ihm schwer. Sollte das weiße Rüsseltier den Strapazen der Reise oder des wechselnden Klimas nicht gewachsen sein und irgendwann alle viere für immer von sich strecken, wäre des Fernhändlers Karriere als Diplomat beendet und seine Zukunft besiegelt. Im günstigsten Fall würde er danach weder im Franken- noch im Abbasidenreich jemals wieder Handel treiben können. Um das Gebiet Kaiserin Irenes zu meiden, schlug er den längeren südlichen Weg Richtung Palästina ein, musste allerdings immer wieder große Pausen einlegen, da der Elefant direkter Sonneneinstrahlung nicht zu lange ausgesetzt werden durfte.
Während sich also Isaak sehr langsam aufs Frankenland zubewegte, hatte der Papst es erheblich eiliger, dorthin zu gelangen. Nach dem Anschlag auf sein Leben wollte er vor Ort von König Karl Hilfe und Beistand erflehen. Der Heilige Vater hatte Paderborn schon erreicht, als Isaak mit dem sperrigen Vierbeiner gerade erst in Jerusalem angekommen war. Im Auftrag des Patriarchen der Stadt schloss sich der Gesandtschaft dort ein hochrangiger Mönch mit einer kleinen Gruppe an, die für König Karl Reliquien vom Heiligen Grab mit sich führte. Willkommene Gaben für die neue Kirche in Aachen , dachte Isaak.
Er hatte inzwischen beschlossen, den Frankenkönig über das sehr behäbig auf ihn zustampfende lebendige Geschenk zu unterrichten und um die Entsendung eines Schiffes nach Tunis zu bitten. Der Jude forderte also die Jerusalemer Delegation auf, sich unter den Schutz einer kleinen Schar des Kalifen zu begeben und mit einem Schreiben für den Frankenkönig vorauszueilen. Träge zog die
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