Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)
Elefantenkarawane dann die nordafrikanische Küste entlang. Als der Dickhäuter der Sonne wegen einmal mehr bedenklich zu torkeln begann, ließ Isaak in Alexandria einen riesigen Baldachin anfertigen. Er beauftragte sechs Männer, die neben Abul Abbas hergehen und den Schattenspender tragen sollten, um die Elefantenhaut auf der Weiterreise vor Sonnenbrand und lebensbedrohlicher Austrocknung zu schützen. All diese Umstände kosteten sehr viel Zeit. So auch mancherlei andere Unbill, wie Sandstürme und Beduinenangriffe, dem die Reisegesellschaft bei ihrem Zug durch Libyen und Tripolitanien ausgesetzt war. Erst ein Jahr nach der Abreise aus Bagdad traf die Delegation mit einem wohlbehaltenen Elefanten endlich in Tunis ein. Dort aber musste sie noch fast ein weiteres Jahr darauf warten, den afrikanischen Kontinent verlassen zu können. Denn es hatte lange gedauert, bis König Karl die Nachricht von dem prächtigen Geschenk erreicht hatte, und es bedurfte einer ausgeklügelten Strategie, den kostbaren Elefanten in Afrika abholen zu lassen.
Im Oktober 801 schiffte sich Isaak schließlich mit Abul Abbas im ligurischen Porto Venere aus und wurde gleich mit einer Vielzahl von Nachrichten überfallen; eine Mitteilung über den tödlichen Sturz des Iosefos war allerdings nicht darunter.
Staunend vernahm Isaak, dass der Frankenkönig Ende des vergangenen Jahres in Rom zum Kaiser gekrönt worden war. Und zwar ausgerechnet von jenem Papst Leo, der sich mit einem Reinigungseid aller Verantwortung für die ihm zur Last gelegten Anklagen entzogen hatte. Um sich die eigene Macht und die Unterstützung des einflussreichen Frankenkönigs zu sichern, hatte der umstrittene Heilige Vater ihn in Rom überrumpelt und bei einer feierlichen Zeremonie am Weihnachtstag zum Kaiser erhoben. Isaak erkundigte sich nach der Kaiserin und erfuhr, dass es keine gab. Die schöne Liutgard war schon ein halbes Jahr vor der Kaiserkrönung einer Krankheit zum Opfer gefallen.
Du armer Mann und du bedauernswerter Herrscher, dachte Isaak. Da lässt du nun diese großartige Kirche in Aachen errichten, um dich zum geeigneten Zeitpunkt darin selbst zum Kaiser zu krönen, und dann macht dir dieser päpstliche Mörder, Dieb und Ehebrecher einen Strich durch die Rechnung. Inzwischen müsste die capella eigentlich fertig sein. Ob es den Baumeistern wohl tatsächlich gelungen war, eine Kuppel aus Stein zu wölben?
Um die Wölbung der Kuppel kümmerte sich Ezra zu jener Zeit wenig. Nicht etwa, weil noch zwei Jahre verblieben, um dieses Problem zu lösen, sondern weil eine andere große Sorge ihr ganzes Dasein beherrschte. Die Wölbung ihres Leibes würde bald sichtbar sein: Ezra war im vierten Monat schwanger.
kapitel 13
zeichen und zeichnungen
Zieh fort aus deinem Land, erstrebe hohe Dinge
Und reise! Reisen bringt doch Nutzen fünferlei:
Es macht von Sorgen frei, lässt dich dein Brot gewinnen,
Bringt Wissen, feine Bildung, edle Kumpanei.
Und wenn es heißt, das Reisen bringe Gram und Kummer
Und Trennung der Gemeinschaft, schwerer Mühen Leid,
So ist der Tod dem Manne besser als ein Leben
Im Hause der Verachtung zwischen Hass und Neid.
Aus 1001 Nacht (die 932. Nacht)
A lle Vorsichtsmaßnahmen, Kräuter und Mittelchen hatten versagt. Lange Zeit wollte sich Ezra nicht eingestehen, dass ihre wahre Natur jene Folgen gezeitigt hatte, die der König an seinem Hof keinesfalls würde dulden können. Sie war überzeugt, ihre Blutung würde, wie schon manches Mal zuvor, einfach einsetzen, wenn sie jeden Gedanken an solche Folgen weit von sich schob. Das beginnende Bäuchlein sollte irgendwie von selbst verschwinden.
In der Abgeschiedenheit ihrer Kammer schoss Lucas eines Mittags den Pfeil der Wahrheit ab, nicht ohne zuvor dessen Spitze in Honig getaucht zu haben. Mit der unangemessen freudig klingenden Erklärung, sie sei wohl guter Hoffnung, nahm er ihr nämlich genau diese. Seine Worte machten die lang verdrängte Befürchtung zur Tatsache. Ezra wehrte sich gegen das Unvermeidliche wie gegen einen bösen Geist. Sie sprang vom Bett, hob mit gekrallten Fingern die Arme und schrie beschwörend: »Nein! Nein! Nein! Sei still!«
»Das ändert nichts daran, dass wir ein Kind bekommen werden«, sagte Lucas gelassen. Sie warf ihm einen wütenden Blick zu und stampfte wild gestikulierend in der winzigen Kammer auf und ab; zwei Schritte hin bis zur Wand, zwei Schritte zurück, unablässig vor sich hin murrend: »Es kann nicht sein, es kann nicht sein, es darf nicht
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