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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Maria. »Es wird unvergesslich für sie sein. Sie werden ihren Enkeln noch von dem weißen Elefanten erzählen.«
    Ezras Augen wurden riesengroß. Jetzt hatte sie jedes Wort verstanden. Soweit sie wusste, gab es nur einen einzigen weißen Elefanten auf der Welt. Und den hatte sie als kleines Kind auf einem festlichen Umzug des Kalifen selbst schon einmal gesehen. Wie hatte sie den jungen Sohn des Abbasidenhofes beneidet, der hoch oben auf dem Dickhäuter thronte! Damals hatte sie ihren Vater bedrängt, auch einmal einen Elefanten reiten zu dürfen. Iosefos hatte ihren Wunsch für Unfug gehalten und ihr verboten, weiter darüber zu sprechen. Also war sie bei nächster Gelegenheit aus ihrem Elternhaus ausgerissen, um beim Palast der Tiere ihr Ansinnen selbst hervorzubringen. Dort war ihr der Imam begegnet, der sie nach Hause zurückbrachte. Unterwegs tröstete er den vermeintlichen Knaben, sagte ihm, dass Allah der Barmherzige, sein Name sei gepriesen, ihm alle Wünsche erfüllen könne, wenn er ein ihm gefälliges Leben führe. Das wolle es auf der Stelle tun, sprach das ungeduldige Kind, das in einem gottlosen Haushalt aufwuchs. »Gott ist mit den Geduldigen«, sagte der Imam, »wenn du dich an sein Wort hältst, wird er dir deinen Wunsch zu jenem Zeitpunkt erfüllen, den er selbst bestimmt.« Später führte er eine längere Unterredung mit ihrem Vater, und von da an ging sie regelmäßig in die Moschee. Dort lernte sie bald, dass es Wichtigeres von Allah zu erflehen gab als einen Elefantenritt.
    Der weiße Elefant, den sie als Kind gesehen hatte, blieb ihr aber in der Tat unvergesslich; da hatte Alboin schon recht. Dennoch sprach er Unsinn.
    Wie sollte Abul Abbas den weiten Weg vom Palast der Tiere in Bagdad bis nach Aachen gefunden haben? Mit Isaak, beantwortete sie sich selbst die Frage. Einstmals hatte sich der Kalif von seinem wertvollsten Baumeister getrennt, um dem Frankenkönig eine Freude zu machen. Jetzt schickte er dem Kaiser sein wertvollstes Tier. Auch dieses würde er zweifellos dem zuverlässigen Fernhändler anvertraut haben; zumal dieser auch die Geschenke Karls in die Runde Stadt gebracht hatte.
    Ezras Herz, das bei der Berührung ihrer Tochter gerade wieder warm geworden war, begann heftig zu pochen. Ob Isaak wohl ihre Koranseiten im Gepäck mit sich führte? Gerade in letzter Zeit schienen ihr die Suren zu fehlen, an die sie nur eine schwache Erinnerung hatte und derer sie in ihrer misslichen Lage so sehr bedurfte. In ihnen wird mir Allah mitteilen, wie ich mich verhalten, wie es mit mir weitergehen soll, dachte sie. Er wird mir den Rat geben, den ich jetzt so dringend brauche.
    Sie drückte ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn, legte das Kind wieder Maria in die Arme und stürmte davon.
    Auf der Baustelle hatte die Nachricht vom Herannahen eines riesigen, fremdländischen Tieres bereits die Runde gemacht. Viele Arbeiter hatten ihre Werkzeuge einfach zur Seite gelegt und sich der Menge angeschlossen, die dem Elefanten entgegenströmte, der um die Mittagsstunde in Aachen erwartet wurde.
    Ezra zog Lucas, der auf dem westlichen Vorbau stand, am Ärmel und deutete auf den langen Menschenwurm, der sich gemächlich aus der Stadt hinausschlängelte. Lucas schüttelte den Kopf.
    »Von hier oben werden wir das Tier besser als alle anderen beobachten können«, bemerkte er, sah sie nachdenklich an und fragte: »Hast du schon jemals einen Elefanten gesehen?«
    Ezra machte eine wegwerfende Gebärde.
    »Viele?«, fragte er erstaunt.
    Sie nickte.
    »Gar einen weißen?«
    Wieder nickte sie, holte ihr Wachstäfelchen hervor, schrieb darauf: »Er heißt Abul Abbas«, und rannte davon.
    Lucas sah ihr nach, als hätte sie den Verstand verloren. »Seit wann tragen Tiere Namen?«, rief er ihr hinterher.
    Auf dem Rücken des Elefanten konnte Isaak weit blicken. Sie hatten die hügelige Gegend dieses nördlichen Landstrichs verlassen und sollten in höchstens einem halben Tagesmarsch in Aachen eintreffen. Isaak konnte kaum glauben, dass er mit seinem gigantischen Reisebegleiter nach so vielen Jahren sein Ziel doch noch erreichen würde, wenn auch nur mit der Hälfte der Delegation, die er aus Bagdad mitgenommen hatte. Drei Männer waren unterwegs gestorben, vier waren in Tunis geblieben, und sechs weitere hatte die Lawine in die Schlucht gerissen. Er selbst hatte nur überlebt, weil er zurückgegangen war, um den Elefanten zum Weitergehen anzutreiben, was dieser glücklicherweise verweigert hatte. Wie festgemauert

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