Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)
du?«
»Von einem wundersamen Gebäude mit einer riesigen Steinkuppel, die eines Korsetts aus starkem Erz bedarf, von Gittern und Türen, wie sie die fränkische Welt noch nicht gesehen hat, von einem Baumeister aus Konstantinopel, der überragende Meister der Schmiedekunst sucht und dem die Zeit fehlt, sie aus Bagdad oder Konstantinopel in den Norden zu schaffen. Ich rede von der größten Gießerei der Welt, von Werkstätten, neben denen sich die berühmten Waffenschmieden der Merowinger wie häusliche Herdfeuer ausnehmen. Ich rede, Alboin, von deiner, von eurer Zukunft, die glänzend sein wird. Ihr solltet nur darauf verzichten, den Tross des Königs zu überfallen; eine Verrichtung, die euch und wahrscheinlich auch den euren ohnehin nur den Tod und die Welt um große Meisterwerke bringen würde. Wer hätte davon schon etwas?« Er steckte den Rest des Apfels in den Mund und spuckte das Gehäuse aus.
Alboins Männer begannen zu murren.
»Er ist ein Verräter«, rief einer.
»Kommt im Schafsfell daher«, sagte ein anderer, »und ist doch ein Wolf. Ich habe es gewusst; die Juden machen immer nur Ärger. Er ist gewiss ein Kundschafter der Franken und wird uns verraten. Wenn wir ihn weiterziehen lassen, sind unsere Frauen und Kinder genauso verloren wie unsere Heimatdörfer. Packt ihn!«
Hunger und Müdigkeit hatten Isaak unvorsichtig gemacht und ihn seiner Stärke, der Geduld, beraubt. Es wäre klüger gewesen, den Männern nahezulegen, wie sie dank ihrer Kunst auf friedliche Art ihre Angehörigen zurückerhalten könnten. Dann erst hätte er sie behutsam selbst auf den Gedanken kommen lassen sollen, dass sie mit ihrem Können an einem bestimmten Ort der Welt in Sicherheit ihr Brot verdienen könnten. Im Geiste versetzte er sich für seine Voreiligkeit eine Ohrfeige. Innerhalb weniger Augenblicke hatten ihn die Schmiede überwältigt und mit Hanfseilen gefesselt.
Ruhig bleiben, sagte er sich und ließ ohne Gegenwehr alles mit sich geschehen; die Leute sind rasend vor Wut über die Zerstörung ihres Zuhauses und die Ermordung und Verschleppung ihrer Familien. Sie haben sich so weit in Feindesland vorgewagt und müssen eben so denken, wie sie denken. Ohne gesundes Misstrauen wären sie wohl nie bis hierher gekommen.
»Wohin wollt ihr mit euren Frauen und Kindern ziehen, wenn ihr sie denn tatsächlich befreien könnt?«, fragte er, als er, zu einem Bündel verschnürt, neben dem Feuer lag. »Und wovon werdet ihr leben?«
»Was schert dich das?«, fragte Alboin zurück und setzte hinzu: »Wir fangen irgendwoanders neu an. Die Welt ist groß.«
»Aber gefährlich. Vor allem für Sachsen, die ihren Göttern nicht abschwören«, erwiderte Isaak. »Wenn ihr euch aber als Schmiede in Aachen niederlasst, kann ich für eure Sicherheit bürgen, und ihr hättet obendrein mehr als nur ein Auskommen.«
Alboin lachte.
»Als Sachsen im Herzen des Frankenreiches! Was erzählst du uns da, Jude? Wir wissen genau, was uns blüht, wenn man entdeckt, wer wir sind.«
»Wenn ihr die Kunst des Schmiedens tatsächlich so vortrefflich beherrscht, wie man es den Langobarden nachsagt, wird euch in Aachen niemand fragen, wes Glaubens ihr seid. Und euch schon gar nicht deswegen verfolgen. Tausende aus aller Welt werken dort, alle Sprachen sind zu hören, alle Glaubensrichtungen zu finden. Sogar Sarazenen arbeiten ungestört an diesem riesigen Gebäude, das ihnen und tausend anderen Brot und Obdach verschafft. Ich gebe euch mein Wort, dass ihr als Meisterschmiede dort mit euren Familien friedlich vereinigt werden könnt, wenn ihr nur wollt.«
»Was hast du mit dem König zu schaffen?«, fuhr ihn Alboin an.
»Ich handele mit ihm. Ihr habt nach meinen Waren gefragt. Ich habe keine, wie ihr seht. Weil ich mit Menschen handele.«
»Er gibt es zu. Für unsere Ergreifung wird er eine Belohnung einstreichen. Der Jude ist ein Verräter!«, rief einer der Männer.
»Still!«, herrschte ihn Alboin an. »Sag, Isaak, was ist das für ein Gebäude?«
»Eine Kirche«, sagte Isaak ruhig. »Eine Basilika, wie sie das Frankenland noch nicht gesehen hat.«
»Wie die Basilika von Brescia?«
Die kannte Isaak nicht.
»Noch eindrucksvoller als die von Zeno«, sagte er ausweichend.
»Wir sollen also ein christliches Bauwerk bestücken? Erhalten Lohn und Obdach und können den Bräuchen unseres Glaubens nachgehen?«
»Wenn ihr das nicht gerade lautstark in alle Öffentlichkeit hinausposaunt«, sagte Isaak. »Ihr könnt aber die geheimen Zusammenkünfte
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