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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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bedrohlich. Wie kann ich da einem halben Dutzend Männern gefährlich erscheinen?
    Erschöpft von den beschwerlichen Steigungen der vergangenen Tage, hatte er sich eigentlich nur am Wasser ausruhen und die nächste Etappe seines Ritts vorbereiten wollen. Er hasste es, sich seiner Haut erwehren zu müssen, und fand normalerweise Wege, dies zu vermeiden. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, sich der Abordnung des Aachen er Hofes anzuschließen, die auf Siegeskunde aus Ostfalen wartete, um dem König entgegenzureiten und ihn nach einem abermals niedergeschlagenen Sachsenaufstand im Triumph nach Hause zu geleiten. Doch es hatte dem Juden widerstrebt, die Reise unter dem Schutz von Franken anzutreten, die über die Vernichtung und Verschleppung von Heiden jubilierten, die es für gottgefällig hielten, Dörfer, Kultstätten und Traditionen zu zerstören. Zudem war ihm daran gelegen, König Karl in einem ruhigen Moment höchstselbst sprechen zu können, was sich in Begleitung einer Heerschar höfischer Würdenträger weitaus schwieriger gestalten könnte.
    Ezra hatte Isaak auf ihrem Wachstäfelchen den Rat gegeben, zumindest einen gut bewaffneten Mann mitzunehmen, was er aber abgelehnt hatte. Waffen seien dazu geschaffen, benutzt zu werden, sagte er, und zudem fordere allein ihr Anblick Angriffe heraus. Er wolle lieber für sich seiner Wege ziehen. Als Rüstung genügten ihm die Feinheiten der Sprache sowie der in seinem Gewand versteckte Dolch. Wobei ihm durchaus bewusst sei, dass weder Zunge noch Schneide vor Hinterhalten oder Verbrechern Sicherheit garantierten. Die Welt sei grundsätzlich schlecht und dem Reisenden meist feindlich gesinnt. Im Laufe seines recht langen Lebens habe er gelernt, sich nicht auf andere verlassen zu müssen, sondern lieber auf eigene Faust schnell lebensrettende Entscheidungen zu treffen. Was Ezra in Konstantinopel und im Wald vor Aachen ja selbst erfahren habe.
    »Ich bin ein friedlicher Fernhändler«, rief er der Gruppe von Männern zu, die mit grimmigen Mienen und erhobenen Äxten, Hämmern sowie anderen schlagkräftigen Gegenständen seiner harrten.
    »Wo ist dann deine Ware, wenn du ein Händler bist?«, rief ihm ein hochgewachsener rothaariger Mann zu. »Und wo ist deine Begleitung?«
    Der sprachgeschulte Isaak überlegte kurz, ob der Tonfall dieser fränkischen Laute dem Friesischen oder eher dem Sächsischen zuzuordnen war, entschied sich rasch für Letzteres, schon weil er das Friesische nur unvollendet beherrschte, und antwortete in der mutmaßlichen Muttersprache des Fragenden: »Ware und Begleitung habe ich in Aachen gelassen, liebe Freunde, aber ein langer Ritt liegt hinter mir. Mich dürstet, und mein Pferd und ich verspüren ein Verlangen nach Erholung. Aber wenn euch meine Anwesenheit belästigt, lagere ich gern ein bisschen weiter unten am Fluss.«
    Äxte, Hämmer und Riesenzangen sanken. Die Männer sahen einander ratlos an. Auf der Stute, die er in Aachen gegen seine beiden Maulesel und eine Fibel aus Jade eingetauscht hatte, wagte sich Isaak näher an die Gruppe heran.
    »Du bist keiner von uns«, antwortete der Rothaarige. Er hob das Kinn und blickte mit verengten Augen an dem Fernhändler vorbei. »Aber du scheinst in der Tat allein unterwegs zu sein. Wohlan dann, geselle dich zu uns; wir teilen unser Mahl gern mit einem, der unsere Sprache kennt.«
    Womit der Beweis wieder einmal erbracht ist, liebe Ezra, dachte Isaak, wenn man mit den Leuten reden kann, machen sie meist weniger Schwierigkeiten.
    Dankbar glitt er aus dem Sattel, vergaß jedoch die Mattigkeit, die seine Beine hatte taub werden lassen, und stürzte vor dem Rothaarigen in den Staub.
    »Ich mag das Pferd, aber ich verabscheue es als Transportmittel«, sagte er, als ihm der Mann auf die Füße half.
    »Weshalb nutzt du es dann?«
    Vor Isaaks innerem Auge erschien Iosefos, der Mann der kurzen Antworten.
    »Weil es mir gehört«, brummte er.
    »Dann achte darauf, dass es so bleibt«, erwiderte der Rothaarige lachend und führte ihn zu einem Lager am Ufer. »Lang zu. Was unser ist, ist auch dein.«
    »Danke«, sagte Isaak und starrte auf das Ende des Spießbratens. Wäre der Kopf des Wildschweins nicht so deutlich erkennbar gewesen, hätte er sich vormachen dürfen, dass es sich um ein für Juden genießbares Tier handelte. Das ging nun leider nicht. »Ich möchte nur etwas trinken.«
    »Du musst doch auch Hunger haben?«
    Er schüttelte den Kopf und hoffte, die Sachsen würden seinen Magen nicht knurren

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