Die Gabe des Commissario Ricciardi
eben erst den schrecklich kalten Wind und als habe ich Benedettas Hut und ihre Handschuhe vergessen.
Ich ließ sie also im Hauseingang stehen und ging wieder nach oben.
Ricciardi spürt Wut in sich aufflackern, weil er es nicht sofort begriffen hatte. Ferro waren an dem Morgen die schönen Zöpfe des Mädchens aufgefallen, weil sie keinen Hut getragen hatte. Das Bild der toten Frau, ihre Frage: Hut und Handschuhe? Nicht, weil sie darum bittet, sondern weil sie sie überreicht, Hut und Handschuhe ihrer Tochter nämlich. Und nach unten schaut sie, weil ihre Schwester kleiner ist als sie oder weil sie das Mädchen sucht. Ich Idiot, denkt er, ich blöder Idiot.
Die Madonna hatte mir aufgetragen, es zu tun, aber ich wusste nicht wie. Dann habe ich überlegt, das Messer mitzunehmen, mit dem ich den Kork schneide; es ist scharf wie eine Rasier
klinge. Sowie sie mir die Tür aufgemacht hat und mir Benedettas Hut und Handschuhe hinhielt, griff ich danach und hab's getan. Nur ein einziger Schnitt. Das reichte. Ich musste sie ja bloß zum Schweigen bringen.
Ein Schnitt, ein einziger Schnitt. Von rechts nach links, wie der Doktor gesagt hatte, kraftvoll und entschlossen. Die Madonna hatte es gesagt.
Dann bin ich in die Wohnung gegangen, ins Schlafzimmer. Mit dem Messer in der Hand. Ich musste mich beeilen, das Kind hätte sich ja erkälten können, ohne sein Hütchen und die Handschuhe. Sie ist sehr anfällig, wissen Sie? Hat oft Halsschmerzen. Jeden Winter bekommt sie mindestens einmal Fieber.
Mein Schwager schlief völlig ruhig. Ich hab' ihm das Messer aufs Herz gesetzt und gewartet. Irgendwann hat er die Augen geöffnet. Er hat nichts gesagt, vielleicht hat er gedacht, er träumt. Vielleicht träumte er ja von mir, so wie ich von ihm, noch nach so vielen Jahren.
Du musst die Krippe wegnehmen, hab' ich zu ihm gesagt. Du musst sie wegnehmen. Das schuldest du der Heiligen Jungfrau.
Sein Gesicht wurde hässlich und er sagte,
Ich muss gar nichts und schulde niemandem etwas, hat er gesagt. Und ich, denkt Ricciardi, hab' geglaubt, es gehe um Geld.
er müsse gar nichts tun. Da habe ich zugestochen, mitten in sein schwarzes Herz voller Sünde. Wieder und immer wieder
habe ich das Messer in seinen Leib gerammt. Der Schutzpatron der Miliz ist der heilige Sebastian, vielleicht wollte er ja auch so sterben. Meine Hand, meine Hände schwitzen, immer. Wenn ich mich aufrege, schwitzen sie noch mehr. Ich habe das Messer in die andere Hand genommen und weiter zugestochen. Er musste bestraft werden und in die Hölle kommen. Ich selbst musste ihn dorthin befördern.
Es waren wirklich zwei Hände gewesen, der Doktor hatte recht gehabt, denkt Ricciardi. Die unterschiedliche Kraft war auf den Schweiß und den Einstichwinkel zurückzuführen. Und das nach allen Seiten gespritzte Blut war nicht zu sehen gewesen, weil die Nonne ein schwarzes Kleid trug. So hatte sie den Ort der Tat, obwohl blutbesudelt, unbehelligt verlassen können.
Danach habe ich das Messer am Betttuch abwischt; ich brauchte es ja noch. Ich wollte einen Hügel anbauen, den da, sehen Sie? Es fehlt noch ein wenig Moos. Das Messer brauchte ich.
Bevor ich wegging, musste ich aber noch etwas anderes tun und bin ins andere Zimmer gegangen. Ich wollte den heiligen Josef mitnehmen, denn so eine Figur durfte nicht in einer solchen Wohnung bleiben. Ein Vater, der für seinen Sohn lebt: das genaue Gegenteil von ihm. Ich hab' ihn genommen, doch er ist mir aus der Hand gerutscht. Hab' ich Ihnen schon gesagt, dass meine Hände manchmal schwitzen?
Das hat mich auf die Lösung gebracht. Rosa hat mir dabei geholfen, als ihr das Jesuskind hingefallen war, und der Aal, der allen Händen entglitt, die ihn fassen wollten. Gefallen war das Jesuskind, nicht hingeworfen, nicht absichtlich zerbrochen worden; und der Aal
war glitschig und feucht, wie das Messer in der Hand der Mörderin. Er musste sterben, hatte sie gesagt. Durch meine Hand.
Bitte glauben Sie mir, ich hätte eine Heiligenfigur niemals absichtlich kaputt gemacht. Das dürfen Sie nicht denken, bitte. Sagen Sie, dass Sie es nicht denken. Niemals würde ich eine Heiligenfigur zerbrechen. Zwei Tage lang hat die Madonna nicht zu mir gesprochen, dabei wusste sie doch, dass ich's nicht absichtlich getan hatte.
Ich habe den Scherben einen Tritt gegeben und sie unter den Tisch geschubst, in der Hoffnung, dass sie niemand sehen würde. Ich konnte sie doch nicht anfassen, wo meine Hände gerade erst getan hatten, was sie
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