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Die Gabe des Commissario Ricciardi

Die Gabe des Commissario Ricciardi

Titel: Die Gabe des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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Tante verloren. Sie wird jetzt vorerst im Kloster bleiben, danach wird man weitersehen. Aber die Kleine an Heiligabend allein zu wissen, dort bei den Nonnen, kam mir traurig vor. Ich habe mit der Oberin gesprochen; sie hat mir erlaubt, sie über die Feiertage zu uns zu nehmen. Entschuldige, dass ich dir nichts gesagt habe.
    Das war ihr Raffaele, der Mann, in den sie sich verliebt hatte, den sie geheiratet hatte, den sie immer noch liebte. Der Vater ihrer Kinder. Ein Mann, der seine Vaterrolle so ernst nahm, dass er sich sogar für fremde Kinder verantwortlich fühlte.
    Sie streichelte sein besorgtes Gesicht:
    – Das hast du gut gemacht. Sehr gut. Besser noch, ich sag' dir was: Den leeren Platz am Tisch werden wir ab jetzt an den Feiertagen, ob Weihnachten oder Ostern, immer besetzen. Wir haben so viel Glück mit unserer Familie, dass es nicht richtig ist, sie nur für uns allein zu behalten. Du wirst sehen, dass der Besitzer des Platzes glücklich darüber sein wird.

    Endlich ist Heiligabend, und er bringt alles durcheinander.

    Als er merkte, dass er als Einziger noch im Büro war, beschloss Ricciardi, nach Hause zu gehen.
    Er warf einen Blick aus dem Fenster. Der Platz war mittlerweile fast menschenleer. Hin und wieder erklang von Weitem ein Knall: Es wurden die Raketen ausprobiert, die den Himmel um Mitternacht in ein einziges Feuerwerk verwandeln würden, um die Geburt eines Kindes zu preisen, das den Menschen Frieden, Gesundheit und Wohlstand bringen sollte. Ein bisschen viel verlangt, dachte der Kommissar, von einem so jungen Wesen.
    Er machte sich auf den Weg. Rasch ging er den nun endlich von Verkaufsständen und Bettlern befreiten Bürgersteig entlang. Alle hatten einen Platz gefunden, an dem sie die nächsten Stunden verbringen konnten, bestenfalls im Kreise ihrer Lieben.
    Er dachte an Rosa, an ihre zitternde Hand. Zum ersten Mal überkam ihn Furcht vor der ihm künftig drohenden Einsamkeit, die noch schlimmer und finsterer sein könnte als die, die er schon jetzt empfand. Er würde Rosa zwingen müssen, sich behandeln zu lassen. Nun war es seine Aufgabe, sie zu beschützen, so wie sie ihn seit seiner Geburt beschützt hatte.
    Auf der Straße waren nur noch die Toten übrig geblieben mit ihren unbesonnenen, schmerzhaften letzten Gedanken. Hier und da auch ein hastender Verspäteter, der gegen die Zeit anrannte.
    An der Ecke des archäologischen Museums, dort, wo die Straße langsam zum Capodimonte hin ansteigt, hörte Ricciardi, wie aus einem Auto jemand nach ihm rief.
    – Hallo, schöner Polizist. Darf ich dich nach Hause fahren?

    Im Wagen war es angenehm warm und es duftete nach Livias Parfum.
    – Ich war vor dem Präsidium; der Wachposten sagte mir, du seist gerade weggegangen. Deinen Nachhauseweg kenne ich ja, und hier bin ich also. Mach dir aber keine falschen Hoffnungen. Ich bin unterwegs, Freunde haben mich eingeladen, denn dir kommt es ja gar nicht in den Sinn, dass ich an Weihnachten allein sein könnte.
    Betreten suchte Ricciardi nach einer Ausrede:
    – Ich dachte, du würdest nach Rom fahren oder zu deinen Eltern. Dass du hier bist, wusste ich nicht.
    Livia lachte:
    – Und wenn du es gewusst hättest? Hättest du mich dann zu dir eingeladen? Ach komm, Ricciardi, nimm mich nicht auf den Arm.
    – Du kennst meine Verhältnisse, Livia: Meine Kinderfrau lebt bei mir; sie ist alt und außerdem geht's ihr nicht besonders gut. Ich hab' dir ja schon gesagt, dass du von mir nicht erwarten darfst, was du von anderen gewohnt bist. Ich freue mich immer, dich zu sehen, aber ich habe auch mein Leben und meine Probleme, die ich nicht so leicht mit jemandem teilen kann.
    Livia änderte den Ton und wurde sanfter:
    – Ich weiß, dass du das denkst. Und tief in mir drin weiß ich auch, dass du dich irrst, dass du mir die Tür nur einen Spalt breit zu öffnen und mich reinzulassen brauchtest, damit wir beide gemeinsam glücklich werden könnten. Heute Abend wollte ich dich aus zwei Gründen gerne sehen.
    Sie waren schon vor Ricciardis Haus angekommen. Der Fahrer hielt in der Nähe der Eingangstür.
    – Und die wären?
    Durch die Ritze der Läden eines bestimmten Fensters sahen zwei wartende Augen, was sie sehen wollten.
    Livia antwortete:
    – Vor allem möchte ich dir sagen, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben meine Selbstsicherheit verloren habe. Ich habe immer geglaubt, sogar schon als ganz junges Mädchen, dass ich von den Männern bekommen kann, was ich möchte. Dann habe ich dich kennengelernt und

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