Die Gabe des Commissario Ricciardi
bestätigt, Lomunno getroffen zu haben: Wie könnten wir sicher sein, dass er den Hafen nicht verlassen hat, um das Verbrechen zu begehen, und danach zurückgekommen ist? Zugegeben: Wir müssen die Fragen stellen, weil es unsere Pflicht ist und damit wir etwas ins Protokoll schreiben können. Den Mord werden wir dadurch nicht aufklären.
Maione schaute nach draußen.
– Haben Sie gesehen, Commissario? Der Wind hat nachgelassen. Vielleicht wird das ein guter Tag für die Fischer.
Ricciardi folgte Maiones Blick und sah, wie der Verkehr auf dem Platz zunahm.
– Man sollte allerdings stets wissen, was man an Land ziehen möchte. Fangen wir an: Ich geh' zum Hafen und du befragst Boccias Bootsgenossen. Aber zuerst lass uns noch einmal gemeinsam zur Wohnung der Garofalos laufen, um herauszufinden, ob unsere verstorbenen Eheleute außer dem Fischerpärchen noch anderen Besuch hatten.
XXXIX
Livia hatte sich gerade fertig angezogen, als das Dienstmädchen dezent an ihre Zimmertür klopfte.
– Verzeihung, Signora. Da ist ein Herr, der nach Ihnen verlangt.
Das beunruhigte Livia: Sie erwartete keinen Besuch, und wenn ein Mann morgens um diese Uhrzeit in der Wohnung einer alleinstehenden Frau auftauchte, hatte er entweder kein Benehmen oder ein sehr dringendes Anliegen.
– Bitte ihn ins Wohnzimmer, Teresa. Ich komme sofort.
Ihr Verdacht bestätigte sich, sowie sie das Zimmer betrat, denn dort am Fenster stand, elegant und gelassen wie immer, Falco.
Livia hatte keine Ahnung, ob das sein Vorname, Familienname oder keines von beidem war. Sie hatte den Mann vor ein paar Monaten kennengelernt, als sie den Empfang zu Ehren Edda Mussolinis vorbereitete, die Neapel in Begleitung ihres Vaters einen Besuch abstattete. Das Fest hatte dann wegen Ricciardis Unfall gar nicht stattgefunden. Falco war damals plötzlich aufgetaucht, ohne von irgendjemandem angekündigt worden zu sein, und hatte verlangt, in die Organisation der Veranstaltung mit einbezogen zu werden.
Er hatte angegeben, zu einer streng geheimen Vereinigung zu gehören, deren städtische Zweigstelle unter anderem dafür zuständig sei, die bestmöglichen Sicherheitsvorkehrungen für den Duce und seine Familie zu treffen. Danach hatte er Livia allerdings einen detaillierten Bericht über Ricciardi abgegeben und damit durchblicken lassen, dass es sich bei der namenlosen Organisation, deren Mitglied er zu sein behauptete, um nichts anderes als eine Art Geheimpolizei handelte.
Obwohl Livia den Nutzen der erhaltenen Informationen zu schätzen wusste, hatte der Mann sie verstört: Die Kälte in seinen Worten und sein ausführliches Wissen über Einzelheiten aus dem Leben fremder Leute waren ihr unheimlich gewesen. Ihr war klargeworden, dass keine Person des öffentlichen Lebens der scharfen Kontrolle Falcos und seiner Leute entging. Als er nach seinem letzten Besuch leise ihre Wohnung verlassen hatte, war sie erleichtert gewesen und hatte sich gewünscht, ihn nicht wiederzusehen.
Stattdessen stand er jetzt vor ihr, drei Tage vor Weihnachten und am frühen Morgen. Und wie üblich hatte er das permanent überwachte Eingangstor passiert, ohne dass der Pförtner es gemeldet hatte, wie er es sonst sogar bei den Lieferanten tat. Livia war unbestimmt verärgert und machte keinen Hehl daraus.
– Guten Tag. Waren wir verabredet? Es muss mir wohl entfallen sein.
Falco wandte sich ihr mit einer leichten Verneigung zu.
– Guten Tag, Signora. Haben Sie bemerkt, dass der Wind sich ganz plötzlich gelegt hat? Das kommt selten vor. Jetzt werden die Temperaturen noch weiter fallen.
Livia lächelte reserviert.
– Auch über diese Informationen verfügen Sie? Hat es Ihnen Ihr Korrespondent im Himmel mitgeteilt? Oder der liebe Gott höchstpersönlich?
Falco lächelte ebenfalls, ohne dass sich sein Blick änderte.
– Nein, Signora. Ich hatte bloß Verwandte, die Fischer waren, deshalb kann ich das Wetter für ein paar Stunden voraussagen.
Livia kam sich nun ein wenig albern vor und wollte ihr Ver
halten wiedergutmachen, indem sie sich bemühte, etwas gastfreundlicher zu sein.
– Ach so. Möchten Sie Platz nehmen? Haben Sie schon gefrühstückt?
Falco setzte sich nicht.
– Danke, Signora. Ich habe schon gegessen, ich bin schon eine Weile auf. Es tut mir leid, Sie so früh zu stören, aber wie Sie wissen, sind wir lieber dann unterwegs, wenn es auf den Straßen noch ruhig zugeht. Auch wenn jetzt, ein paar Tage vor Weihnachten, immer viel los ist.
Livia machte eine
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