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Die Gabe des Commissario Ricciardi

Die Gabe des Commissario Ricciardi

Titel: Die Gabe des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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ganze Welt, für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Beniamino – vergiss das nicht. Die Krippe ist wie unsere Welt: Alles scheint wie zufällig zusammengewürfelt, aber in Wahrheit hat jeder seine Bedeutung. Und obwohl Beniamino nie Kinder gehabt hat, weiß er doch, wie schön die Krippe ist.
    Er legt das scharfe, robuste Messer weg und seine Gedanken schweifen ab zu Garofalo. Liebe Güte, war der ruppig gewesen, und aufgeblasen erst! Wenn er vorbeiging und Beniamino eingenickt war, weil das schließlich hin und wieder passieren kann, weckte er ihn brüllend auf. Einmal war er ihn sogar im Wirtshaus suchen gekommen, es herrschte eine Bullenhitze an dem Tag und Ferro hatte nur kurz seinen Durst gelöscht – seine Kehle war vielleicht trocken gewesen, er hätte Sägespäne spucken können.
    Garofalo hatte ihn öffentlich zur Schnecke gemacht: Er sagte, dass man ein Haus an seinem Pförtner erkenne und dass er eine Schande für die Bewohner sei. Dass er früher oder später dafür sorgen würde, dass Ferro gefeuert werde, weil es unzumutbar sei, dass ein Mann wie er, der Rang und Namen hatte, in einem Haus mit einem solchen Pförtner wohnte.
    Beniamino hatte ihm das sehr übel genommen, richtig übel. Auch wenn die Frau des Zenturios immer lächelte, das Mädchen hübsch und seine Schwägerin, die Nonne, sympathisch war und ihn amüsierte.
    Garofalo aber war ein Scheusal. Ein gemeiner, aufgeblasener Bastard. Ferro ist froh, dass er seine Krippe nicht mehr fertig gesehen hat.

    Don Pierino bewunderte wieder einmal die Krippe in der Kirche San Ferdinando. Er machte eigens einen riesigen Umweg von der Sakristei zum Beichtstuhl, nur um daran vorbeizugehen: eine kleine Freude, die er sich gerne gestattete.
    In dieser Hinsicht unterschied er sich nicht von dem kleinen Jungen, der er einmal gewesen war: Weihnachten war die Krippe und die Krippe war Weihnachten gewesen in der feuchten Kälte von Santa Maria Capua Vetere, seinem Heimatort. Der Pfarrer des Dorfes, der ihn dem einfachen Glauben nähergebracht hatte, aus dem er bis heute Kraft schöpfte, baute stets eine, die ihm als Kind riesig erschienen war: voller Personen, Tiere und Häuser. Er verbrachte Stunden damit, sich vorzustellen, selbst einer der Hirten zu sein und sich in jener friedlichen, unbeschwerten Märchenwelt zu bewegen.
    Auf einmal fühlte er sich beobachtet und fürchtete schon, es sei die alte Vaccaro, die ihm von irgendeiner aktuellen Unpässlichkeit berichten wollte. Als er sich umdrehte, stand jedoch überraschenderweise Fräulein Colombo vor ihm, die Tochter des Huthändlers mit dem Laden gegenüber der Kirche. Er kannte sie eigentlich kaum. Ihre Familie war sehr zurückhaltend; sie nahm zwar am Sonntagsgottesdienst teil, besuchte die Pfarrei an den übrigen Tagen aber selten. Der Priester erinnerte sich, einmal stellvertretend für Don Tommaso das Geschäft gesegnet zu haben und bei dieser Gelegenheit einem Teil der Colombos begegnet zu sein: dem Vater, einem freundlichen Mann mittleren Alters, der Mutter, die wohl ganz gerne tratschte, und ebenjener hochgewachsenen, scheuen jungen Frau, die ihm zugleich sanft und verschlossen erschienen war.
    Im Augenblick fühlte sie sich offensichtlich unbehaglich. Sie
stand zwei Meter von ihm entfernt, hielt ihre Handtasche mit beiden Händen fest und schien nicht zu wissen, ob sie lieber mit ihm reden oder weglaufen sollte. Er beschloss, ihr aus der Verlegenheit zu helfen.
    – Guten Tag. Sie sind doch Fräulein Colombo, hab' ich recht? Wie geht es Ihnen?
    Die junge Frau war sichtlich erleichtert, sich nicht mehr aus dem Staub machen zu können: Sie war gesehen worden.
    – Guten Tag. Ja, das bin ich. Ich möchte … ich würde Sie gerne etwas fragen, wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben. Aber wenn Sie zu tun haben, kann ich auch ein andermal wiederkommen.
    Don Pierino betrachtete sie: Der Blick der Frau sprach für einen starken inneren Aufruhr. Er hatte Erfahrung darin, Momente der Seelenqual zu erkennen, die verrieten, dass jemand dringend Hilfe brauchte, aber nicht imstande war, ausdrücklich darum zu bitten. Eine solche stumme Bitte abzulehnen hieße, die Person im Stich zu lassen, und konnte sehr großen Schmerz hervorrufen.
    – Nein, überhaupt nicht, ich habe Zeit. Ich stehe Ihnen also gerne zur Verfügung. Kommen Sie, setzen wir uns ins Büro.
    Was Don Pierino »Büro« nannte, war eine Art Durchgangsraum, den man in der Sakristei vom Aufbewahrungsraum der Messgewänder abgetrennt hatte. Ein

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