Die Gabe des Commissario Ricciardi
bewegen sich auf rutschigem Boden, das meine ich.
Livia musste fast lachen: Niemand außer ihr sah ihre Beziehung zu Ricciardi mit Wohlwollen. Nicht einmal Ricciardi selbst.
– Falco, wenn das eine Warnung ist, weiß ich sie zu schätzen. Ich muss Ihnen allerdings sagen, und Sie können es von mir aus berichten, wem immer Sie wollen, dass ich erwachsen genug bin, um meine Entscheidungen überlegt zu treffen. Und nach Rom – auch das dürfen Sie gerne so weitergeben – beabsichtige ich nicht zurückzukehren.
Der Mann spielte immer noch mit seinem Hut. Er sah zu ihr auf.
– Das dachte ich mir. Ich hatte auch vorausgesehen, dass Ihre Antwort so ausfallen würde. Um ehrlich zu sein, freut sich ein Teil von mir, dass meine Einschätzung richtig war. Trotzdem erlaube ich mir, Sie noch ein letztes Mal darauf hinzuweisen: Manche Bekanntschaften, die vielleicht leichtfertig und mit besten Absichten geschlossen wurden, können sich als äußerst schädlich erweisen. Und manche Beziehungen oder Freundschaften decken einen nicht ewig.
Livia schnaubte:
– Falco, ich sagte Ihnen bereits, dass ich mit Ricciardi zur
zeit nur sporadischen und zufälligen Umgang pflege und die Initiative dazu leider fast ausschließlich von mir ausgeht. Würde er sich um mich bemühen …
Falco unterbrach sie:
– Ich spreche gar nicht von Ihrem Umgang, sondern von seinem. Sollten Sie ihm nämlich zufällig und im Rahmen einer allgemeinen Unterhaltung von einer Äußerung oder einer Reise einer bestimmten … Freundin aus Rom erzählen und er die Angelegenheit seinem Freund weitererzählen, würde das zu einer Frage der nationalen Sicherheit werden. Und sowohl Sie wie er als auch wir wären dafür verantwortlich. Ist Ihnen das klar?
Es folgte ein langes Schweigen. Livia begriff, dass Falco ihr mit diesem konstruierten Beispiel klarmachen wollte, welchem Grad an Überwachung sie unterlag. Sie beschloss, sich dafür erkenntlich zu zeigen.
– Ich habe verstanden. Vielen Dank für die Information. Ich verspreche Ihnen strengste Vertraulichkeit, seien Sie unbesorgt. Und bitte sagen Sie allen, dass sie beruhigt sein können. Ich rede äußerst wenig mit Ricciardi und er noch weniger mit mir. Deshalb wollte ich ihn ins Theater einladen: Dort muss man sich wenigstens nicht unterhalten.
Falco grinste:
– Nur eine Frage der Zeit, Signora. Ich kann nicht verstehen, wie und warum man einer Frau wie Ihnen so lange widerstehen kann. Einen schönen Tag noch und entschuldigen Sie die Störung. Ich hoffe, Sie amüsieren sich im Kursaal.
XL
Beniamino Ferro, der Pförtner des Gebäudes im Largo del Leone 2 in Mergellina, geht einen Schritt zurück und betrachtet sein Werk.
Er ist ziemlich stolz auf die Krippe, die er eben fertiggestellt hat: In Anbetracht der Aufgaben, die es ihm nicht erlaubt haben, sich so lange wie eigentlich nötig auf die Arbeit zu konzentrieren, ist er mit dem Ergebnis zufrieden.
Um ehrlich zu sein, hätte er mehr Zeit gehabt, wenn er nicht so oft das Bedürfnis verspürt hätte, sich die Kehle ein wenig zu erfrischen. Und wenn er nicht gelegentlich kurz eingenickt wäre, infolge der Erfrischung, die er seiner Kehle zuführte, wäre sogar noch mehr Zeit gewesen.
Aber Beniamino ist gern nachsichtig mit sich: Ein alleinstehender Mann ohne Frau und Kinder, die ihm zur Hand gehen könnten, wird sich wohl einmal eine Pause gönnen dürfen, findet er. Und wenn während einer dieser Pausen jemand auftaucht, der so ungezogen ist, das Haus zu betreten, ohne sich beim Pförtner zu melden, der gerade Pause macht, ist das sicher nicht seine Schuld. Also die Schuld des Pförtners.
Wirklich schön, die Krippe. Es ist alles da: Moos und Kräuter zur Vertreibung der bösen Geister, die beiden Gefährten Zi' Vicienzo und Zi' Pascale, einer fröhlich, der andere traurig, die den Karneval und den Tod darstellen, die Jungfrau Stefania, die einen Stein unterm Kleid versteckt, um schwanger auszusehen, und dann auf wundersame Weise den heiligen Stefan zur Welt bringt. Und Cicci Bacco, der Weinhändler, Ferros Lieblingsfigur, weil die Krippe schließlich auch etwas Heiteres hat, weil die Geburt Jesu das Schönste ist, was auf der Welt geschehen konnte.
Beniamino sieht jetzt alles mit getrübtem Blick, denn seine
Augen sind voll Tränen. Er erinnert sich an seinen Vater, an den Brauch, zu Hause eine Krippe zu bauen. Auch daran, wie er ihm haarklein die Bedeutung jedes Krauts, jedes Hauses und jedes Hirten erklärte. Die Krippe steht für die
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