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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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zurückkehrten, an ihre Liegeplätze geglitten waren. Damals war es nichts Ungewöhnliches gewesen, die schnittigen Galeonen der Freien Korsaren, die so schwer mit Beute beladen waren, dass sie tief im Wasser lagen, in die Bucht einlaufen zu sehen. Sie kamen von so geheimnisvollen Häfen wie Filman Orras, Halbes Fort, Geschichte des Toten Mannes und Exil - Namen, die nach Abenteuer klangen, vor allem in den Ohren eines Jungen, der die Mauern seiner Heimatstadt noch kein einziges Mal von außen gesehen hatte.
    Der Mann wurde langsamer, als er den Anfang des steinernen Piers erreichte. Die Jahre, die ihn von jenem Jungen von damals trennten, zogen vor seinem geistigen Auge vorbei, eine Abfolge gewalttätiger Bilder, die immer düsterer wurden. Wenn er jetzt die vielen Weggabelungen betrachtete, an die er in der Vergangenheit gelangt war, dann sah er, dass der Himmel über ihnen sturmzerzaust und die Gegend um sie herum verwildert und windgepeitscht war. Jetzt zehrten die Kräfte des Alters und der Erfahrung an diesen Gabelungen, und welche Entscheidungen er damals auch immer getroffen hatte - jetzt, aus der Rückschau, wirkten sie vorherbestimmt und fast verzweifelt.
    Kennen nur junge Menschen die Verzweiflung? fragte er sich, als er sich auf die Kaimauer setzte. Vor ihm kräuselten sich die dunklen Wasser der Bucht. Das von Felsen übersäte Ufer lag zwanzig Fuß unter ihm im Dunkel, nur hier und da blinkten Glasscherben und zerbrochenes Geschirr wie Sterne.
    Der Mann drehte sich etwas zur Seite und blickte nach rechts. Sein Blick wanderte den Hang hinauf bis zur Hügelkuppe, auf der sich der flache Bau der Majestäts-Halle abzeichnete. Versuche niemals, zu hoch hinauszuwollen. Eine einfache Lektion, die er vor langer Zeit auf dem brennenden Deck eines Piratenschiffs gelernt hatte, dessen Rumpf sich langsam mit Wasser gefüllt hatte, während es außerhalb der Befestigungsanlagen einer Stadt namens Gebrochener Kiefer dahingetrieben war. Hybris hatten es die Gelehrten genannt, als am Ende die Schiffe der Freien Korsaren in Flammen aufgegangen waren.
    Versuche niemals, zu hoch hinauszuwollen. Der Blick des Mannes war noch immer auf die Majestäts-Halle gerichtet. Nach wie vor herrschte unter ihrem Dach das Patt, zu dem es durch den Tod von Ratsherrn Lim gekommen war. Der Rat befand sich in heller Aufregung, und es wurden mehr kostbare Stunden mit eifrigen Spekulationen und Gerüchten verbracht als mit Staatsangelegenheiten. Turban Orr, dem der sicher geglaubte Sieg bei der Abstimmung im allerletzten Moment aus den Händen gerissen worden war, hetzte seine Hunde auf jede Spur; er suchte die Spione, die seiner Überzeugung nach seinen Dunstkreis infiltriert hatten. Ratsherr Orr war kein Narr.
    Über dem Mann flog ein Schwarm grauer Möwen auf den See hinaus, und ihre Schreie erfüllten die kühle Nachtluft. Er holte tief Luft, zog die Schultern hoch und riss mit einiger Anstrengung seinen Blick von der Majestäts-Halle los.
    Es war zu spät, sich damit zu befassen, dass er vielleicht doch etwas zu hoch hinausgewollt hatte. Seit jenem Tag, als der Agent des Aals zu ihm gekommen war, war die Zukunft des Mannes besiegelt gewesen; einige würden es auch Verrat nennen. Und vielleicht, wenn man es genau betrachtete, war es wirklich Verrat. Wer wusste schon, was im Kopf des Aals vorging? Selbst der Hauptagent des Aals -sein Kontaktmann - erklärte, die Pläne seines Herrn und Meisters nicht zu kennen.
    Kreisbrechers Gedanken kehrten zu Turban Orr zurück. Er hatte sich mit einem verschlagenen Mann angelegt, einem Mann, der Macht besaß. Das Einzige, was ihn vor Orr schützte, war seine Anonymität. Doch die würde nicht anhalten.
    Er saß auf dem Pier und wartete auf den Agenten des Aals. Er würde dem Mann eine Botschaft überreichen, die für den Aal bestimmt war. Wie viel würde sich verändern, wenn diese Botschaft ihren Empfänger erreichte? War es falsch, dass er in seiner Lage Hilfe suchte und dadurch seine mühsam aufrechterhaltene Anonymität gefährdete - die Einsamkeit, aus der er so viel innere Kraft schöpfte und die seine Entschlossenheit stärkte. Doch er glaubte nicht, dass er ganz allein Turban Orr im Intrigenspiel gewachsen sein würde.
    Kreisbrecher griff in sein Wams und zog ein zusammengerolltes Pergament heraus. Er stand an einem entscheidenden Punkt in seinem Leben, so viel war ihm klar. Um seiner krankhaften Furcht zu begegnen, hatte er seine Bitte um Hilfe auf dieses Pergament geschrieben.
    Es wäre

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