Die Gärten des Mondes
sehen.«
Turban Orr zögerte noch einen Augenblick, dann öffnete er die Tür und verließ das Zimmer.
Lady Simtal blieb auf ihrem Bett liegen. Sie seufzte. Ihre Gedanken wanderten zu einem ganz bestimmten jungen Stutzer, dessen Verlust einer ganz bestimmten Witwe einen herben Schlag versetzen würde.
Murillio nippte an dem gewürzten Wein. »Die Einzelheiten sind noch etwas unklar«, sagte er und verzog das Gesicht, als der heiße Alkohol ihm auf den Lippen brannte.
Unten auf der Straße kam eine wunderbar bemalte Kutsche herangerattert, die von drei weißen Pferden in schwarzem Geschirr gezogen wurde. Der Mann, der die Zügel hielt, trug einen schwarzen Umhang mit Kapuze. Die Pferde warfen mit angelegten Ohren und rollenden Augen die Köpfe zurück, aber die großen, geäderten Hände des Fahrers hielten sie im Zaum. Zu beiden Seiten der Kutsche schritten Frauen mittleren Alters einher. Auf ihren kahl geschorenen Köpfen trugen sie Bronzeschalen, von denen wabernde, intensiv riechende Rauchschwaden aufstiegen.
Murillio lehnte sich gegen die Brüstung und betrachtete die Truppe. »Fanderay, die Wölfin, wird hinausgekarrt«, sagte er. »Verdammt blutige Rituale, wenn Ihr mich fragt.« Er setzte sich wieder in den Plüschsessel, hob sein Glas und grinste sein Gegenüber an. »Der jahreszeitliche Tod der Wolfsgöttin des Winters findet natürlich auf nichts Geringerem als einem weißen Teppich statt, was auch sonst. Zum Gedderone-Fest in gut einer Woche werden die Straßen mit Unmengen von Blumen übersät sein, die schon in kürzester Zeit alle Rinnsteine und Abzugskanäle der Stadt verstopfen werden.«
Die junge Frau, die ihm gegenübersaß, lächelte. Sie betrachtete ihr Weinglas, das sie wie eine Opfergabe in beiden Händen hielt. »Welche Einzelheiten meint Ihr?« Sie warf ihm einen kurzen Blick zu.
»Einzelheiten?«
Sie lächelte schwach. »Die, die noch etwas unklar sind.«
»Ach so.« Murillio wedelte mit einer behandschuhten Hand. »Nach Lady Simtals Version ist Ratsherr Lim persönlich vorbeigekommen, um sich für die offizielle Einladung zu bedanken.«
»Einladung? Ihr meint zu dem Fest, das sie am Vorabend von Gedderone gibt?«
Murillio blinzelte. »Natürlich. Ihr seid doch sicherlich eingeladen worden, oder?«
»Aber ja. Und Ihr?«
»Leider nicht«, sagte Murillio, doch er lächelte dabei. Die Frau schwieg; ihre Lider senkten sich etwas, während sie nachdachte.
Murillio schaute noch einmal auf die Straße hinunter. Er wartete. Solche Dinge folgten ihren eigenen Gesetzen, und selbst er konnte nicht vorhersagen, welche Richtung die Gedanken einer Frau nehmen würden, schon gar nicht, wenn das Ganze etwas mit Sex zu tun hatte. Und dies war ganz gewiss ein Spiel um Gefälligkeiten - das Spiel, das Murillio am besten beherrschte und das er immer bis zum Ende spielte. Enttäusche sie nie, das war der Schlüssel. Das am besten gehütete Geheimnis ist das, dem das Alter nichts anhaben kann.
Nur wenige andere Tische auf dem Balkon waren noch besetzt. Die feinen Herren der besseren Gesellschaft bevorzugten die mit Düften angereicherte Luft des Esszimmers im Innern. Murillio fühlte sich wohl, so von dem wirbelnden Leben auf den Straßen umgeben, und er wusste, dass es seinem Gast genauso erging - zumindest diesmal. Bei dem Lärm, der von unten heraufdrang, war es mehr als unwahrscheinlich, dass jemand sie belauschen könnte.
Ziellos ließ er seinen Blick Moruls Juwelenstraße entlangwandern - und erstarrte; dann weiteten sich seine Augen, als er die Gestalt erkannte, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite in einem Türeingang stand. Er verlagerte sein Gewicht, ließ seine linke Hand jenseits der steinernen Brüstung außer Sichtweite der Frau herabbaumeln und wedelte heftig mit ihr; dabei starrte er gleichzeitig die Gestalt an.
Rallick Noms Grinsen wurde breiter. Er trat aus dem Eingang und schlenderte die Straße entlang, blieb kurz vor einem Laden stehen, vor dem ein Ebenholztisch voller Perlen stand. Der Eigentümer machte nervös einen Schritt nach vorn, entspannte sich jedoch, als Nom weiterging.
Murillio seufzte. Er lehnte sich zurück und trank einen Schluck. Idiot! Rallicks Gesicht, seine Hände, sein Gang, seine Augen - alle sagten dasselbe: Mörder! Zur Hölle, sogar seine Garderobe strahlte so viel Wärme und Lebendigkeit aus wie die Uniform eines Henkers.
Wenn es um Raffinesse ging, war man bei Rallick Nom an der falschen Adresse. Was die ganze Sache noch viel
Weitere Kostenlose Bücher