Die Gärten des Mondes
glasierte Honigkugel aus dem Ärmel zog. Noch während er von der Leckerei abbiss, stieß er die Tür auf und verschwand im Innern des Gasthauses.
Auf der Straße, einen halben Block entfernt, lehnte sich Leida gegen die verwitterte Mauer einer Mietskaserne. Sie verschränkte die Arme. Der fette kleine Mann war ein Wunder. Sie hatte genug von seinem einzigartigen Ballett gesehen, um in ihm einen Adepten zu erkennen. Dennoch fühlte sie sich irritiert, denn der Verstand hinter der Fassade des Mannes deutete auf Kapazitäten, die weit größer waren als die, die er gezeigt hatte. Und das war die Bestätigung, dass es sich bei ihm tatsächlich um eine gefährliche Kreatur handelte.
Sie musterte von ihrem Standort aus das Gasthaus. Der Mann auf der Treppe schien jeden zu überprüfen, der hineingehen wollte, doch sie konnte nicht die kleinste Geste entdecken, die auf eine geheime Diebes-Zeichensprache hinwies. Die Gespräche waren kurz, beschränkten sich meist auf die Begrüßung zwischen Menschen, die sich kannten. Dennoch hatte sie vor, das Gasthaus zu betreten. Genau so einen Ort hatten Kalam und der Schnelle Ben in Elsters Auftrag suchen sollen - einen Schlupfwinkel von Dieben, Schlägern und Mördern. Warum der Sergeant einen solchen Ort suchte, hatte er ihr nicht mitgeteilt. Der Magier und Kalam hegten ihr gegenüber einen Verdacht, und sie konnte spüren, dass ihre Argumente allmählich bei Elster auf fruchtbaren Boden fielen. Wenn sie könnten, würden sie sie aus allem heraushalten, doch sie hatte nicht vor, es so weit kommen zu lassen.
Leida stieß sich von der Wand ab, überquerte die Straße und näherte sich dem Gasthaus. Der Nachmittag hatte sich mittlerweile in eine schwüle Dämmerung verwandelt, und der Geruch von Regen hing in der Luft. Als sie sich der Treppe beim Vordereingang näherte, richtete sich die Aufmerksamkeit des Schlägers auf sie. Der Mann grinste. »Na, hast wohl Kruppe verfolgt, was?« Er wiegte den Kopf. »So oder so, Mädels sollten keine Schwerter tragen. Ich hoffe, du hast nicht vor, da reinzugehen? Das geht nicht ohne Begleitung.«
Leida trat einen Schritt zurück. Sie ließ ihre Blicke in beide Richtungen die Straße entlangschweifen. Der nächste Fußgänger war mehr als eine Straßenbreite weit weg und ging in die entgegengesetzte Richtung. Sie schloss die Hände um den Saum ihres kurzen Umhangs und zog ihn um ihre Taille. »Lass mich durch«, sagte sie leise. Wie hatte der fette Mann sie entdeckt?
Der Mann lehnte sich auf das Geländer. »Das alles schreit geradezu nach einem Gespräch ... einem freundschaftlichen Gespräch natürlich«, sagte er. »Wie wäre es, wenn wir beide nach hinten in das Gässchen gehen. Du legst dein Schwert beiseite, und ich werde richtig nett zu dir sein. Ansonsten könnte es ziemlich unangenehm für dich werden, und was für ein Spaß -«
Leidas linke Hand zuckte vor. Ein Dolch blitzte auf. Die Klinge bohrte sich ins rechte Auge des Mannes und weiter in sein Gehirn. Er taumelte rückwärts über das Geländer und landete mit einem dumpfen Aufprall neben den Stufen. Leida ging zu ihm und holte sich ihren Dolch zurück. Sie hielt inne, rückte den Gürtel zurecht, in dem ihr Duellschwert steckte, und warf einen prüfenden Blick die Straße entlang. Als sie sah, dass niemand nahe genug war, um in der hereinbrechenden Dämmerung etwas Ungewöhnliches bemerkt zu haben, stieg sie die Stufen hinauf und betrat das Gasthaus.
Noch ehe sie einen zweiten Schritt getan hatte, wurde sie aufgehalten. Sie sah sich plötzlich einem kopfunter hängenden, stöhnenden Jungen gegenüber. Zwei grob aussehende Frauen schaukelten ihn abwechselnd vor und zurück. Jedes Mal, wenn er versuchte, das Seil zu erreichen, das um seine Füße geschlungen war, bekam er eine Kopfnuss. Eine der beiden Frauen grinste Leida an.
»He, du!«, sagte die Frau und packte Leida am Arm.
Leida blickte ihr Gegenüber kalt an. »Was ist?«
Die Frau beugte sich näher; ihr Atem war der reinste Biernebel.
»Wenn du in Schwierigkeiten bist, ruf einfach nach Irilta und Mira. Das sind wir, klar?«, flüsterte sie. »Danke.«
Leida ging weiter. Sie hatte den fetten kleinen Mann bereits entdeckt - wie hatte der Schläger ihn genannt? Kruppe. Er saß an einem Tisch vor der gegenüberliegenden Wand, unter der Galerie. Durch den überfüllten Raum sah Leida einen freien Platz an der Bar, von wo aus sie weiter beobachten konnte. Sie drängte sich durch die Menge.
Da Kruppe anscheinend von
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