Die Gärten des Mondes
Moby zu kreischen, fing dann an zu husten. Mammot warf ihm einen kurzen Blick zu, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Crokus. Sein Gesicht blieb völlig unbewegt, als er erwiderte: »Ja, mein Junge, Darujhistan ist auf Grund eines Gerüchts entstanden.« Er zögerte. »Hast du das vor kurzem irgendwo gehört?«
»Irgendjemand hat es erwähnt«, sagte Crokus unbestimmt. »Ich kann mich allerdings nicht mehr erinnern, wer das war.« In Wirklichkeit wusste er es sehr wohl. Rallick Nom, der Assassine, hatte es gesagt.
»Weißt du, was es bedeutet?« Crokus schüttelte den Kopf.
Mammot lehnte sich im Sessel zurück. »Trink deinen Tee, mein Junge.« Der alte Mann schwieg noch einen Augenblick, dann begann er zu erzählen: »Während der Frühen Zyklen dieser Sphäre stritten drei große Völker um die Vorherrschaft; keines von ihnen war menschlich - jedenfalls nicht so, wie wir es verstehen. Die Ersten, die sich schon frühzeitig aus dem Kampf verabschiedeten, waren die Forkrul Assail, oder die Krussail, wie sie heute genannt werden. Nicht aus Schwäche, sondern aus ... tja, sagen wir Desinteresse. Die beiden anderen Völker kämpften endlos weiter. Schließlich unterlag das eine, denn es war eine Rasse von Individuen, die sich untereinander genauso bekriegten, wie sie gegen ihre Feinde kämpften. Sie wurden Jaghut genannt, obwohl der Begriff heutzutage zu Jhag oder Shurl degeneriert ist. Doch obwohl sie den Krieg verloren hatten, sind sie nicht völlig verschwunden - man sagt, dass einige Jaghut bis heute überlebt haben sollen, wenn auch dankenswerterweise nicht in Genabackis.«
»Und so«, Mammot legte die Hände um seine Teetasse, »ist Darujhistan auf Grund eines Gerüchts entstanden. Bei den einheimischen Stämmen in den Gadrobi-Hügeln hatte sich die Legende gehalten, dass irgendwo in diesen Hügeln das Grab eines Jaghut liegen sollte. Nun hatten die Jaghut über große Magie verfügt, hatten geheime Gewirre und Gegenstände voller Macht geschaffen. Mit der Zeit drang die Legende der Gadrobi über die Hügel hinaus, in den Norden von Genabackis und nach Catlin im Süden, in Königreiche im Osten und im Westen, die inzwischen längst zu Staub zerfallen sind. Wie auch immer, es kamen Sucher in die Hügel, zuerst Einzelne, dann Massen von ihnen, ganze Stämme unter der Führung nachthungriger Schamanen und Magier. Jeder Hang war mit Gräben und Bohrlöchern gespickt. Und aus den Lagern und Baracken-Siedlungen, aus den tausenden von Schatzsuchern, die jedes Frühjahr ankamen, entstand eine Stadt.« »Darujhistan«, sagte Crokus.
»Ja. Der Grabhügel wurde niemals gefunden, und das Gerücht ist seither längst dahingeschwunden. Nur wenige wissen heutzutage überhaupt noch davon, und jene, die es kennen, sind schlau genug, die Suche nicht noch einmal aufzunehmen.«
»Warum?«
Mammot runzelte die Stirn. »Die Artefakte der Jaghut geraten nur selten in die Hände von Menschen, aber es ist durchaus schon vorgekommen, und die Konsequenzen waren unweigerlich katastrophal.« Die Falten auf der Stirn des alten Mannes wurden tiefer. »Die Lektion ist deutlich, wenn man sie nur erkennen will.«
Crokus dachte eine Weile nach. »Dann sind also die Krussail verschwunden und die Jhag besiegt worden. Aber was ist mit dem dritten Volk geschehen? Mit denen, die gesiegt haben? Warum sind sie nicht mehr hier, sondern wir?«
Mammot öffnete den Mund, um zu antworten, doch dann zögerte er, dachte nach.
Crokus kniff die Augen zusammen. Er fragte sich, was Mammot gerade hatte enthüllen wollen und warum er sich entschlossen hatte, es dann doch nicht zu tun.
Mammot stellte seine Tasse ab. »Niemand weiß genau, was mit ihnen geschehen ist, Crokus, oder wie sie zu dem geworden sind, was sie heute sind. Sie existieren noch - in gewisser Weise zumindest - und sind allen, die je dem malazanischen Imperium gegenübergestanden haben, als T'lan Imass bekannt.«
Leida drängte sich durch die Menge, immer darum bemüht, den fetten Mann nicht aus den Augen zu verlieren. Nicht, dass es schwierig gewesen wäre, ihm zu folgen, doch das Mädchen kämpfte gegen einen Sturm im Innern ihres Schädels an, der von einem einzigen Wort entfacht worden war, das Sergeant Elster gesagt hatte. Seher.
Es hatte sich angefühlt, als wäre ein dunkles, zusammengepresstes Ding an ihrem Kopf bei jenem Wort aufgeplatzt und kämpfte nun gegen alles, was es umgab. Obwohl es anfangs mit überwältigender Macht über sie gekommen war, konnte sie
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