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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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ihr wusste, entschied sie sich, ihr Interesse an ihm keineswegs zu verbergen. Oft genug war das genau die Art von Druck, die den Willen eines Mannes brechen konnte. Leida grinste innerlich. In einem Krieg der Geduld ist der Sterbliche immer im Nachteil, dachte sie.
     
    Crokus bog um die Ecke und näherte sich dem Phoenix. Das Lernpensum, das Mammot für ihn festgelegt hatte, konnte einem Angst und Bange machen; die Ausbildung ging weit über das Lesen von Büchern hinaus und reichte bis zur Etikette höfischer Manieren, den Aufgaben verschiedener Beamter, den Stammbäumen und speziellen Eigenarten gewisser Würdenträger. Doch er hatte sich geschworen durchzuhalten. Sein Ziel war, eines Tages dem D'Arle-Mädchen ganz offiziell vorgestellt zu werden.
    Etwas in ihm machte sich über dieses Bild lustig. Hier steht Crokus, der Gelehrte, der kultivierte, viel versprechende junge Mann, der Dieb. Es war einfach zu absurd. Doch das Bild verfolgte ihn, bekräftigte seinen Entschluss. In nicht allzu ferner Zukunft würde er so weit sein. Bis dahin gab es allerdings noch andere Dinge, um die er sich kümmern musste, Dinge, die es wieder gutzumachen galt.
    Als er die Stufen erreichte, die zum Eingang hinaufführten, sah er einen zusammengekauerten Schatten neben dem Geländer. Vorsichtig trat Crokus näher.
    Als Leida die Bar erreichte, stieß jemand heftig die Eingangstür an der anderen Seite des Raums auf. Sie drehte sich genau wie alle anderen um und sah einen jungen, schwarzhaarigen Mann in der Tür- öffnung stehen.
    »Jemand hat Chert umgebracht!«, schrie der Mann. »Er ist erstochen worden!«
    Ein halbes Dutzend Stammgäste rannte zur Tür; sie stießen den jungen Mann zur Seite und verschwanden.
    Leida drehte sich wieder zur Bar um. Als der Mann hinter der Theke zu ihr herüberblickte, sagte sie: »Ein Gredfalan-Bier, bitte, in einem Zinnkrug.«
    Die Frau, die Irilta Mira genannt hatte, erschien neben ihr. Sie ließ zwei kräftige Unterarme auf die Theke fallen, als sie sich nach vorn lehnte. »Kümmere dich um die Dame, Skorb«, brummte Mira, »sie hat Geschmack.«
    Mira neigte ihren Kopf ganz nah zu Leida. »Hast wirklich Geschmack. Chert war ein Schwein.«
    Leida erstarrte. Ihre Hände glitten unter ihren Umhang.
    »Ruhig, Mädchen«, sagte Mira leise. »Wir tratschen nicht. Hier kümmert sich jeder und jede erst mal um sich selbst, und ich will bestimmt kein Messer ins Auge. Wir haben doch gesagt, wir passen auf dich auf, stimmt's?«
    Das Bier kam. Leida hob eine Hand und legte sie um den Griff des Bierkruges. »Du solltest lieber nicht auf mich aufpassen, Mira«, sagte sie ruhig.
    Jemand stellte sich auf die andere Seite von Mira. Leida schaute hinüber und sah, dass es der schwarzhaarige Junge war. Sein Gesicht war bleich. »Verdammt, Mira«, zischte er. »Ich habe heute wirklich einen schlechten Tag.«
    Mira gluckste in sich hinein und legte ihm einen Arm um die Schulter. »Skorb, mach uns zwei Gredfalan. Unser Crokus verdient das Beste, was es in Darujhistan gibt.« Mira beugte sich wieder zu Leida. »Das nächste Mal«, flüsterte sie, »verhältst du dich ein bisschen schlauer. Zumindest hier.«
    Leida starrte mit gerunzelter Stirn in ihren Bierkrug. Sie war unvorsichtig gewesen, das beste Bier der Stadt zu bestellen. Dann nahm sie einen Schluck. »Das ist gut«, sagte sie. »Es ist wirklich gut.«
    Mira grinste, stieß Crokus an. »Die Dame hat es gerne gut.«
    Crokus lehnte sich über die Theke und schenkte Leida ein müdes, aber warmes Lächeln. Von draußen erklang die Fanfare der Stadtwache.
    Skorb stellte die beiden Krüge auf die Theke.
    Leida sah, wie Crokus' Blick an ihr hinunterglitt und plötzlich irgendwo hängen blieb. Das Lächeln des Jungen wurde härter, sein Gesicht womöglich noch blasser als zuvor. Als der Bierkrug vor ihm abgestellt wurde, wandte Crokus den Blick von ihr ab und griff nach dem Krug.
    »Bezahl erst, bevor du trinkst, Crokus«, murmelte Skorb. »Du bist schon fast genauso schlimm wie Kruppe.«
    Crokus griff in die Tasche und zog eine Hand voll Münzen heraus. Als er versuchte, sie abzuzählen, rutschten ihm einige zwischen den Fingern hindurch und fielen auf die Theke. Zwei der drei klirrten kurz und blieben dann still liegen. Die dritte Münze drehte sich, drehte sich und drehte sich ... Leidas Blick wurde wie magisch von ihr angezogen, genau wie die Blicke von Skorb und Mira. Crokus streckte die Hand aus, zögerte jedoch. Noch immer drehte sich die Münze mit

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