Die Gärten des Mondes
empfindlichen Magen.«
»Chert war ein Narr«, fuhr Murillio fort, ohne auf Kruppes Geschrei zu achten, »aber wohl kaum der Typ, der solche Grausamkeit herausgefordert hat.«
Crokus sagte nichts. Er hatte das Blut am Dolch des dunkelhaarigen Mädchens gesehen.
»Wer weiß?« Kruppes Augenbrauen tanzten auf und ab. »Vielleicht war er Zeuge eines entsetzlichen Schreckens. Vielleicht wurde er so beiläufig ausgelöscht, wie ein Mann eine niedliche Maus platttritt.«
Crokus sah sich um. Seine Blicke wanderten wieder zu der Frau, die mit Mira an der Theke stand. In ihrer Lederrüstung und mit dem schlichten Duellschwert an der Hüfte erinnerte sie ihn daran, wie er einmal als kleiner Junge einen Söldnertrupp hatte durch die Stadt reiten sehen. Das war die Karmesin-Garde gewesen, wie ihm jetzt wieder einfiel: fünfhundert Männer und Frauen, und nicht einer oder eine von ihnen hatte eine glänzende Schnalle an seiner Uniform gehabt.
Sein Blick blieb an der Frau haften. Sie kam ihm vor wie eine Söldnerin, eine Mörderin, für die das Töten schon längst kein Entsetzen mehr barg. Was hatte Chert getan, um dafür ein Messer ins Auge zu bekommen?
Crokus wandte gerade rechtzeitig den Blick von ihr ab, um Rallick Nom das Gasthaus betreten zu sehen. Der Assassine kam auf den Tisch zu und schien die Einheimischen nicht zu bemerken, die vor ihm zurückwichen.
Coll hielt ihn auf, noch ehe er den Tisch erreicht hatte. Der stämmige Mann hieb Rallick auf den Rücken und lehnte sich betrunken an ihn. »Nom, du alter Bastard!«
Rallick legte einen Arm um Colls Schulter, und gemeinsam kamen sie an den Tisch.
Kruppe sah auf. »Ha, meine teuren Kameraden! Kruppe lädt euch ein, an unserem Treffen im trauten Kreise teilzunehmen.« Er gestikulierte mit den Armen und deutete auf die beiden freien Stühle; dann lehnte er sich zurück. »Nur um euch über unsere dramatischen Taten auf dem Laufenden zu halten - unser Bürschchen Crokus hier hat verträumt ins Nichts gestarrt, während Murillio und Kruppe das neueste Geschwätz der Straßenratten diskutiert haben.«
Coll blieb stehen, wobei er unsicher hin und her schwankte; eine tiefe Furche grub sich in seine Stirn. Rallick setzte sich und griff nach dem Bierkrug. »Was ist das denn für Geschwätz?«, fragte er unbestimmt.
»Das Gerücht, dass wir jetzt mit Mondbrut verbündet sind«, sagte Murillio.
»Das ist natürlich Unsinn«, sagte Kruppe. »Oder hast du irgendetwas gesehen, was darauf schließen lässt?«
Murillio grinste. »Der Mond ist nicht weitergezogen, stimmt's? Und nicht nur das, der Stadtrat hat direkt unterhalb von Mondbrut ein Zelt aufschlagen lassen.«
Crokus meldete sich zu Wort. »Ich habe von Onkel Mammot gehört, dass die Ratsherren bisher noch kein Glück damit gehabt haben sollen, den Bewohnern von Mondbrut - wer auch immer das sein mag - eine Botschaft zukommen zu lassen.«
»Typisch«, kommentierte Murillio; er warf Rallick einen blitzschnellen Blick aus halb geschlossenen Augen zu.
»Wer lebt eigentlich dort?«, fragte Crokus.
Coll schwankte noch stärker und knallte beide Hände auf den Tisch, um sich abzustützen. Er wandte Crokus sein rotes Gesicht zu und brüllte: »Fünf schwarze Drachen!«
Der Schnelle Ben wusste um die unzähligen, sich ständig verändernden Pfade, die innerhalb des Chaos-Gewirrs zu Türen führten. Er nannte sie Türen, doch in Wirklichkeit waren es Barrieren, die dort entstanden, wo Gewirre sich berührten, eine Art kalzinierter Kruste aus Energie, die so fest und hart wie Basalt war. Chaos berührte alle Sphären mit knorrigen Fingerspitzen, aus denen Macht strömte, und die Türen waren verhärtete Wunden im Fleisch anderer Welten, anderer Straßen der Magie.
Der Magier hatte seine Talente gezielt auf solche Türen gerichtet. Während er sich im Chaos-Gewirr befand, hatte er gelernt, wie ihre Energie zu formen war. Er hatte Mittel entdeckt, die Barrieren zu verändern oder zu spüren, was hinter ihnen lag. Jedes magische Gewirr besaß einen eigenen Geruch, jede Sphäre eine Struktur, und auch wenn die Pfade, die er benutzte, niemals die gleichen waren wie jene, die er zuvor gegangen war, hatte er die Mittel gemeistert, um jene zu finden, die er suchte.
Er reiste jetzt auf einem dieser Pfade, einem Strang aus Nichts, umschlossen von den eigenen Zuwächsen des Gewirrs, sich windend und beladen mit Unvereinbarkeiten. Auf einem Pfad wünschte er sich vorwärts und stellte fest, dass er sich rückwärts bewegte; er
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