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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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unmittelbar bevor die Präsenz verschwunden war, hatte Baruk einen mentalen Schmerz verspürt, der ihm fast die Besinnung geraubt hätte.
    Er hatte den letzten Todesschrei der Kreatur mit ihr geteilt, und sein eigener Schrei hatte das halbe Haus aufgeweckt und seine Wachen aufgeschreckt zu seiner Schlafzimmertür stürzen lassen.
    Baruk verspürte tief in seinem Innern eine Ungerechtigkeit, als wäre seine Seele misshandelt worden. Eine einzige kurze Sekunde lang hatte er in eine Welt absoluter Dunkelheit geschaut, und aus dieser Dunkelheit waren Geräusche gedrungen - das Quietschen hölzerner Räder, das Rasseln von Ketten, das Stöhnen von tausend gefangenen Seelen. Dann war es vorbei gewesen, und er war sich seiner wieder bewusst geworden, wie er in seinem Sessel saß, während Roald mit einem Kübel Eis aus dem Keller an seiner Seite kniete.
    Jetzt saß er allein in seinem Studierzimmer, und das Eis, das er sich gegen die Stirn presste, fühlte sich warm an im Vergleich zu dem Gefühl, das er in seinem Herzen verspürte.
    Es klopfte an der Tür; Roald betrat den Raum, einen besorgten Ausdruck im Gesicht. »Herr, Ihr habt Besuch.«
    »Was habe ich? Um diese Zeit?« Er stand mühsam auf. »Wer ist es?«
    »Lord Anomander Rake.« Roald zögerte. »Und ... noch jemand.« Stirnrunzelnd hob Baruk die Hand. »Führe sie herein.« »Jawohl, Herr.«
    Rake kam herein; er hielt eine geflügelte Kreatur von der Größe eines Hundes im Genick gepackt. Die Kreatur wand sich und zischte, dann blickte sie Baruk flehend an.
    »Dieses Ding ist mir hierher gefolgt«, sagte Rake. »Gehört es zu Euch?«
    Baruk nickte bestürzt.
    »Das habe ich mir gedacht«, meinte Rake. Er ließ den Dämon los, der durch den Raum flatterte und vor den Pantoffeln des Alchemisten landete.
    Baruk sah auf ihn hinunter. Der Dämon zitterte.
    Rake ging zu einem Sessel, setzte sich und streckte die langen Beine aus. »Eine geschäftige Nacht«, sagte er.
    Baruk gestikulierte, und der Dämon verschwand mit einem leisen, ploppenden Geräusch. »In der Tat«, sagte er mit harter Stimme. »Mein Diener hier war auf einer Mission. Ich hatte keine Ahnung, dass Ihr darin verwickelt werden könntet.« Er trat an den Tiste Andii heran. »Wieso wart Ihr mitten in einem Krieg der Assassinen?«
    »Wieso nicht?«, antwortete Rake. »Ich habe ihn schließlich angefangen.«
    »Was?«
    Er lächelte Baruk an. »Ihr kennt die Imperatrix nicht so gut wie ich, Baruk.«
    »Erklärt es mir bitte.« Dem Alchemisten war das Blut ins Gesicht geschossen.
    Rake blickte zur Seite. »Sagt mir eins, Baruk«, begann er, wandte sich wieder dem Alchemisten zu und sah ihm in die Augen, »wer in der Stadt weiß am ehesten über Euren geheimen Zirkel Bescheid? Und wer würde am meisten davon profitieren, wenn Ihr beseitigt werden würdet? Und - was das Wichtigste ist - wer in der Stadt ist in der Lage, Euch zu töten?«
    Baruk antwortete nicht sofort. Mit schweren Schritten ging er zum Tisch hinüber, auf dem eine frische gezeichnete Karte ausgerollt worden war. Er stützte sich auf der Tischkante auf und beugte sich darüber. »Ihr habt den Verdacht, dass die Imperatrix Vorcan aufspüren könnte«, sagte er. »Dass sie ihr einen Kontrakt anbieten könnte.«
    »Auf Euch und die übrigen Hohemagier«, erwiderte Rake hinter ihm. »Die Imperatrix hat Klauen hierher geschickt - nicht, um die Verteidigung der Stadt zu zerstören, sondern um mit der Gildenmeisterin der Assassinen Kontakt aufzunehmen. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich Recht hatte, aber ich musste diesen Kontakt auf alle Fälle verhindern.«
    Baruks Blick blieb an den roten Farbklecksen auf der Karte hängen. »Also habt Ihr Eure eigenen Assassinen ausgesandt, um ihre Gilde auszulöschen. Um sie aufzuscheuchen.« Er wandte sich Rake zu. »Und dann? Wolltet Ihr sie töten? Alles nur wegen eines Verdachts?«
    »Heute Nacht«, sagte Rake ruhig, »haben wir die Klaue daran gehindert, diesen Kontakt herzustellen. Der Bericht Eures Dämons wird das bestätigen. Außerdem ... Ihr wollt doch nicht etwa andeuten, dass Vorcans Tod und die Dezimierung der Assassinen dieser Stadt eine schlechte Sache wäre, oder?«
    »Doch, ich fürchte, genau das will ich.« Baruk begann auf und ab zu gehen. Er kämpfte gegen ein sich langsam steigerndes Gefühl der Empörung. »Ich kenne die Imperatrix möglicherweise nicht so gut wie Ihr, Rake«, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch, »aber ich kenne diese Stadt - und zwar viel besser,

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