Die Gärten des Mondes
Selbstvertrauen, das sie im Phoenix noch besessen hatte, war verschwunden, als wäre es niemals da gewesen. Crokus steckte seinen Dolch wieder ein.
»Also«, fragte er, »was machen wir jetzt, Coll?«
Der Verwundete zuckte die Schultern. »Das Mädchen beruhigen, nehme ich mal an. So wie sie aussieht, braucht sie Hilfe.«
»Aber sie hat Chert getötet«, wandte Crokus ein. »Ich habe das Blut an ihrem Dolch gesehen.«
Coll blinzelte zu dem Mädchen hinüber. »Das bezweifle ich nicht, mein Junge, aber dieses Mädchen sieht nicht so aus, als ob sie in der Lage wäre, irgendjemanden zu töten.«
»Glaubst du, ich sehe das nicht?«, sagte Crokus. »Ich erzähle dir nur, was ich gesehen habe. Ich weiß, dass es nicht zusammenpasst.«
Coll seufzte. »Sei's drum, sie braucht immer noch unsere Hilfe. Also geh rüber und hol sie her, Crokus.«
Der Junge warf die Arme in die Luft. »Und wie soll ich das machen?«
»Ich will verdammt sein, wenn ich das wüsste«, erwiderte Coll grinsend. »Versuch's mal mit flirten.«
Crokus warf ihm einen empörten Blick zu, dann ging er vorsichtig auf das Mädchen zu. Sie spannte sich an und wich einen Schritt zurück. »Vorsicht!«, rief Crokus und deutete auf den Kamm des Hügels hinter ihr.
Das Mädchen sah, dass sie genau an der Kante eines steilen Abhangs stand. Merkwürdigerweise schien sie das zu beruhigen. Sie trat ein paar Schritte auf Crokus zu, und der Blick aus ihren weit aufgerissenen Augen suchte sein Gesicht.
»So ist's gut«, murmelte Crokus. »Es ist alles in Ordnung. Verstehst du mich?« Er deutete auf seinen Mund und bewegte die Lippen, als würde er sprechen.
Coll stöhnte auf.
Das Mädchen überraschte sie beide, als sie auf Daru antwortete. »Ich verstehe dich«, sagte sie stockend. »Jetzt besser. Du bist kein Malazaner, du sprichst nicht malazanisch. Aber ich verstehe dich.« Sie runzelte die Stirn. »Wie kann das sein?«
»Malazanisch, hm?«, meinte Coll. »Woher kommst du, Mädchen?«
Sie dachte einen Augenblick lang nach. »Aus Itko Kan«, sagte sie dann.
»Was zur Hölle ...« Coll lachte. »Welcher Sturm hat dich denn hierher geweht?«
In ihren Augen schimmerte plötzlich Erkenntnis auf. »Wo ist mein Vater? Was ist mit den Netzen passiert? Ich habe das Garn gekauft, und dann war da diese Seherin - Riggalai, die Seherin, die Wachshexe. Ich erinnere mich an sie - sie ist gestorben!« Das Mädchen sank auf die Knie. »Sie ist gestorben. Und dann ...«
Colls Gesichtsausdruck war ernst, nachdenklich. »Und dann?«
»Ich kann mich nicht erinnern«, wisperte das Mädchen. Sie sah auf ihre Hände hinunter. »Ich kann mich an nichts mehr erinnern.« Sie begann zu weinen.
»Bei Gedderones tausend Zitzen«, fluchte Coll leise; er winkte Crokus zu sich heran. »Hör gut zu, mein Junge. Warte nicht auf uns. Bring dieses Mädchen zu deinem Onkel. Bring sie zu Mammot, und zwar schnell.«
Crokus machte ein finsteres Gesicht. »Warum? Ich kann Euch doch nicht einfach hier lassen, Coll. Wer weiß, wann Murillio und Kruppe wieder zu sich kommen? Was ist, wenn diese Söldnerin zurückkommt?«
»Was ist denn, wenn sie zurückkommt?«, fragte Coll spitz. Crokus wurde rot. Er blickte zur Seite.
»Murillio ist ein harter Bursche, trotz all des Parfüms«, sagte Coll. »Er wird schnell wieder auf den Beinen sein und herumhüpfen. Bring das Mädchen zu deinem Onkel, Junge. Tu, was ich dir sage.«
»Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum«, entgegnete Crokus.
»Es ist nur ein Verdacht, mehr nicht.« Coll streckte den Arm aus und packte den Jungen an der Schulter. »Das Mädchen war besessen. Glaube ich zumindest. Irgendjemand, irgendetwas hat sie hierher nach Darujhistan gebracht, auf unsere Spur. Die Wahrheit ist irgendwo in ihrem Kopf, und sie könnte sich als lebenswichtig erweisen. Dein Onkel kennt die richtigen Leute, die ihr helfen können, mein Junge. Und jetzt sattle mein Pferd. Ich werde hier warten, bis unsere Freunde aufwachen. Zur Hölle, ich kann sowieso nicht laufen. Ich sollte mich wohl ein paar Tage besser nicht bewegen. Kruppe und Murillio werden die Dinge hier schon regeln. Also los, geh schon!«
Crokus betrachtete das weinende Mädchen. Schließlich meinte er: »In Ordnung, Coll. Wir gehen zurück, ich und sie.«
»Gut«, grunzte Coll. »Jetzt lass mir eine Decke und etwas zu essen da. Dann schwingt ihr Euch aufs Pferd und macht, dass ihr loskommt. Und wenn das verdammte Pferd kurz vor den Stadttoren eine Herzattacke bekommt, umso besser.
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