Die Gärten des Mondes
verloren. Bin ich wirklich verloren?«
Den Blick unverwandt auf das ziemlich klein geratene Barghast-Kriegermädchen gerichtet, das auf dem Rand des Springbrunnens saß, bog Crokus um eine Marmorsäule. Er verfluchte die Wachen hinten am Waldrand. Doch schließlich war er ein Dieb, oder etwa nicht? Außerdem schienen sie alle ziemlich abgelenkt zu sein.
Er wartete auf eine günstige Gelegenheit, und als sie kam, huschte er in die Schatten zwischen der ersten Baumreihe. Hinter ihm blieb es still; es kam weder ein Alarmruf noch die Aufforderung, stehen zu bleiben. Crokus schlüpfte in die Dunkelheit, drehte sich um und kauerte sich nieder. Ja, sie saß noch immer da, schaute in seine Richtung.
Er holte tief Luft, dann richtete er sich auf, einen Kieselstein in der Hand. Er beobachtete die Wachen und wartete. Eine halbe Minute später war seine Chance gekommen. Er holte aus und warf den Kieselstein in den Springbrunnen.
Challice D'Arle fuhr zusammen und sah sich um, während sie sich Wassertröpfchen von ihrem bemalten Gesicht wischte.
Sein Mut sank, als ihr Blick über ihn hinweghuschte, dann zuckte ihr Kopf wieder zurück.
Crokus winkte verzweifelt mit den Armen. Das war es. Das war der Augenblick, in dem er herausfinden würde, wo sie stand, was ihn betraf. Er hielt den Atem an und gestikulierte erneut.
Nach einem schnellen Blick zurück zur Terrasse stand Challice auf und rannte zu ihm.
Als sie näher heran war, blinzelte sie in die Dunkelheit. »Gorlas? Bist du das? Ich habe den ganzen Abend auf dich gewartet!«
Crokus erstarrte. Dann machte er, ohne nachzudenken, einen Satz nach vorn; mit einer Hand hielt er ihr den Mund zu, den anderen Arm legte er um ihre Hüfte. Challice quietschte auf, versuchte ihn in die Hand zu beißen. Obwohl sie sich heftig wehrte, gelang es ihm, sie tiefer in die Dunkelheit des Gartens zu ziehen. Und was jetzt?, fragte er sich.
Kreisbrecher lehnte an einer Marmorsäule im großen Salon des Herrenhauses. Hinter ihm standen die Gäste um Turban Orrs Leiche herum, stritten sich laut und stießen leere Drohungen aus. Die Luft im Garten war drückend; sie roch nach Blut.
Er wischte sich über die Augen, wartete darauf, dass sein Herzschlag sich wieder beruhigte. Es ist vorbei. Bei der Königin der Träume, ich hab's geschafft. Jetzt kann ich mich ausruhen. Endlich. Er streckte sich langsam, holte tief Luft, rückte seinen Schwertgurt zurecht und sah sich um. Hauptmann Stillis war nirgends zu sehen; das Zimmer war fast leer, abgesehen von einem Schwarm Bediensteter vor dem Durchgang zur Küche. Lady Simtal hatte sich noch immer nicht blicken lassen, und die Lücke, die ihre Abwesenheit verursachte, füllte sich allmählich mit Verwirrung.
Kreisbrecher warf noch einen letzten Blick auf die Gäste draußen im Garten, dann ging er. Als er an einem langen Tisch mit den unterschiedlichsten Torten- und Puddingresten vorbeikam, hörte er ein leises Schnarchen. Ein weiterer Schritt brachte ihn zum Kopfende des Tisches, wo ein kleiner, rundlicher Mann auf einem alten, plüschbezogenen Stuhl saß. Die verschmierte Puttenmaske verbarg das Gesicht des Mannes, doch Kreisbrecher konnte seine geschlossenen Augen sehen, und das nasale Brummen, das mit dem Heben und Senken seiner Brust einherging, war laut und gleichmäßig.
Der Wachmann zögerte. Dann ging er kopfschüttelnd weiter. Draußen vor den Toren des Gebäudes, schon in Sichtweite, warteten die Straßen von Darujhistan und die Freiheit. Nun, da er die ersten Schritte auf diesem Pfad getan hatte, würde er sich durch nichts mehr ablenken lassen.
Ich habe meinen Teil getan. Jetzt bin ich nur noch ein weiterer namenloser Fremder, der angesichts der Tyrannei nicht davonlaufen konnte. Nur zu, Vermummter, hol dir die verkümmerte Seele dieses Mannes — seine Träume sind ausgeträumt. Die Laune eines Assassinen hat ihnen ein Ende gemacht. Was meine eigene Seele angeht, nun, da wirst du noch ein bisschen warten müssen.
Er trat durch die Tore und hieß das Lächeln willkommen, das sich endlich unaufgefordert auf seine Lippen stahl.
Kapitel Zweiundzwanzig
Raben! Große Raben!
Euer vernichtendes, heiseres Gekrächze
verhöhnt die Geschichte, die unter euren
geschwärzten Flügeln dahingleitet -
Zerschmettert den Tag,
ihr Flaggen der Nacht,
spaltet mit Schatten
dies unschuld'ge Licht.
Raben! Große Raben!
Eure trommelnden Wolken kommen
in jähem, herabstürzendem Sprung,
zischende, mühevolle Arbeit
von keinem Ort
zum
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