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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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schaute durch einen kleinen Spalt nach unten. »Du hattest Recht«, sagte sie. »Sie haben sich tatsächlich auf die Terrasse zurückgezogen. Merkwürdig, wo doch gerade ein Sturm aufzieht. Ich sollte mich anziehen.« Sie ging zum Bett zurück und begann, ihre Kleidungsstücke zusammenzusuchen, die überall verstreut herumlagen. »Und was ist mit dir, Murillio?«, fragte sie. »Glaubst du nicht, dass dein Freund da unten sich wundert, wo du bleibst, Geliebter?«
    Murillio schwang die Beine aus dem Bett und zog seine Hosen an. »Nein, das glaube ich nicht«, sagte er.
    Simtal warf ihm einen neugierigen Blick zu. »Mit wem bist du gekommen?«
    »Mit einem Freund«, erwiderte er, während er sein Hemd zuknöpfte. »Du wirst seinen Namen kaum kennen.«
    In diesem Augenblick zerbrach der Riegel, und die Tür flog krachend auf.
    Simtal schrie erschrocken auf; sie war noch im Untergewand. Mit blitzenden Augen starrte sie wütend den großen, mit einem Umhang bekleideten Mann an, der im Türrahmen stand. »Wie könnt Ihr es wagen, mein Schlafzimmer zu betreten? Verschwindet auf der Stelle, oder ich werde die Wachen -«
    »Die beiden Männer, die in diesem Korridor Wache gestanden haben, sind leider unpässlich geworden, Lady«, sagte Rallick Nom. Er trat ins Zimmer und drückte die Tür hinter sich zu. Dabei warf er Murillio einen Blick zu. »Zieh dich an«, schnappte er.
    »Unpässlich geworden?« Simtal wich ein paar Schritte zurück, um das Bett zwischen sich und Rallick zu bringen.
    »Ihre Loyalität ist gekauft worden«, sagte der Assassine. »Ihr solltet Euch diese Lektion merken.«
    »Ich brauche nur zu schreien, und es werden andere kommen.«
    »Das habt Ihr aber noch nicht getan«, sagte Rallick grinsend, »weil Ihr nämlich neugierig seid.«
    »Ihr werdet es nicht wagen, mir ein Leid zuzufügen«, sagte Simtal und richtete sich hoch auf. »Sonst wird Turban Orr Euch zur Strecke bringen.«
    Der Assassine trat einen weiteren Schritt vor. »Ich bin nur hier, um mit Euch zu reden, Lady Simtal«, sagte er. »Euch wird kein Leid geschehen, egal, was Ihr verdient.«
    »Was ich verdiene? Ich habe nichts getan! Ich kenne Euch nicht einmal!«
    »Genauso wenig wie Ratsherr Lim«, sagte Rallick leise. »Und das Gleiche lässt sich heute Nacht auch von Turban Orr sagen. Doch leider haben beide für ihre Unwissenheit bezahlen müssen. Welch ein Glück, dass Ihr das Duell verpasst habt, Lady Es war unerfreulich, aber notwendig.« Sein harter Blick glitt über die bleiche Frau. »Erlaubt mir ein paar erklärende Worte. Turban Orrs Angebot an die Gilde der Assassinen ist offiziell aufgehoben. Coll lebt, und seine Rückkehr in dieses Haus ist jetzt gesichert. Ihr seid erledigt, Lady Simtal. Turban Orr ist tot.«
    Er drehte sich um, verließ das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
    Murillio stand langsam auf. Er sah Simtal in die Augen, sah das darin aufkeimende Entsetzen. Man hatte ihr ihre Verbindungen zur Macht genommen, und ihre einst so sichere Verteidigung brach zusammen. Er sah, wie sie körperlich zu schrumpfen schien; ihre Schultern sanken herab, ihre Hände pressten sich gegen ihren Leib, ihre Knie gaben nach. Dann konnte er den Anblick nicht länger ertragen. Lady Simtal war fort, und er wagte es nicht, die armselige Kreatur genauer zu betrachten, die jetzt ihre Stelle eingenommen hatte.
    Er zog seinen reich verzierten Dolch und warf ihn aufs Bett. Ohne ein weiteres Wort oder eine Geste verließ er den Raum. Er war sicher, dass er der letzte Mann sein würde, der sie lebend zu Gesicht bekommen hatte.
    Draußen im Korridor blieb er stehen. »Mowri«, sagte er leise, »ich bin für so etwas nicht geschaffen.« Es war eine Sache, zu planen, diesen Punkt zu erreichen, jedoch eine ganz andere, ihn tatsächlich erreicht zu haben. Er hatte nicht bedacht, wie er sich danach fühlen würde. Das hatte sein Sinn für Gerechtigkeit verhindert, dieses weiße Feuer, das in ihm gelodert hatte und das zu hinterfragen oder wegzustoßen er keinen Grund gehabt hatte. Sein Sinn für Gerechtigkeit hatte ihn verführt, und jetzt dachte er darüber nach, was er gerade verloren hatte, dachte über das Gefühl des Abgestorbenseins nach, das sich in ihm ausbreitete. Beinahe wurde er von dem Bedauern überwältigt, das dem Gefühl, innerlich tot zu sein, folgte, so unwiderlegbar es auch sein mochte. »Mowri«, flüsterte er ein zweites Mal, und das Wort kam einem Gebet so nahe wie noch keines zuvor in seinem Leben, »ich glaube, jetzt bin ich

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