Die Gärten des Mondes
hatte in diesem Augenblick geschwankt, dann war ihr Klirren zurückgekehrt. Obwohl sie es Tag und Nacht in ihrem Innern hörte, war es fast schon ein Teil von ihr geworden, und Flickenseel stellte fest, dass sie sich konzentrieren musste, um es wahrzunehmen. Doch sie hatte den leichten Stoß gespürt, hatte die Veränderung der Tonhöhe und den kurzen Augenblick der Unsicherheit bemerkt.
Die Jungfrau des Todes und der Assassine des Hohen Hauses Schatten. Es gab irgendeine Verbindung zwischen diesen beiden, und diese Verbindung beunruhigte Oponn. Offensichtlich blieb alles in Bewegung. »Fantastisch«, murmelte sie, als sie das untere Ende der Treppe erreichte.
Sie sah den jungen Soldaten, der sie vorhin angesprochen hatte. Er stand mit einer Reihe anderer Rekruten in der Mitte des Hofs. Ein kommandierender Offizier war nicht in Sicht. Flickenseel rief den Jungen zu sich.
»Ja, Zauberin?«, fragte er, als er bei ihr angekommen war und Haltung angenommen hatte.
»Was steht ihr hier alle so herum, Soldat?«
»Wir sollen unsere Waffen bekommen. Der Stabs-Sergeant ist den Wagen holen gegangen.«
Flickenseel nickte. »Ich habe einen Auftrag für dich. Ich werde dafür sorgen, dass du deine Waffen bekommst, aber keine aus billigem Stahl, wie deine Freunde. Falls ein höherer Offizier wegen deiner Abwesenheit Fragen stellt, verweise ihn an mich.« »Jawohl, Zauberin.«
Flickenseel spürte einen Stich des Bedauerns, als sie in die leuchtenden, eifrigen Augen des Jungen sah. Es war sehr gut möglich, dass er in ein paar Monaten tot sein würde. Das Banner des Imperiums war von vielen Verbrechen befleckt, doch das hier war das Schlimmste. Sie seufzte. »Überbringe diese Botschaft persönlich an Sergeant Elster von den Brückenverbrennern: Die dicke Lady mit den Zaubersprüchen will sich mit ihm unterhalten. Hast du das verstanden, Soldat?«
Der Junge erbleichte.
»Wiederhole es.«
Mit ausdruckslosem Gesicht leierte der Soldat die Botschaft herunter.
Flickenseel lächelte. »Sehr gut. Also los, und vergiss nicht, ihn um sofortige Antwort zu bitten. Ich bin in meinem Quartier.«
Hauptmann Paran drehte sich um und warf einen letzten Blick auf die Schwarzen Moranth. Der Trupp hatte gerade den Rand des Plateaus erreicht. Er wartete, bis sie nicht mehr zu sehen waren, dann richtete er seinen Blick wieder nach Osten, auf die Stadt.
Aus dieser Entfernung und mit der flachen, weiten Ebene davor sah Fahl recht friedlich aus, obwohl das Gelände vor den Mauern mit schwarzen Basaltbrocken übersät war und noch immer die Erinnerung an Feuer und Rauch in der Luft zu hängen schien. Hier und da entlang der Wälle erhoben sich Gerüste, auf denen sich winzige Gestalten drängten. Sie schienen die gewaltigen Breschen im Mauerwerk zu reparieren. Aus dem Nordtor wälzte sich ein Strom von Wagen und wand sich träge auf die Hügel zu; der Himmel über ihnen war voller Krähen. Am Rand dieser Hügelkette zog sich eine Reihe von Erdhügeln entlang, die zu regelmäßig wirkten, um natürlichen Ursprungs zu sein.
Er hatte hier und dort Gerüchte gehört. Fünf tote Magier, davon zwei Hohemagier. Die Verluste der Zweiten Armee waren angeblich so hoch, dass Spekulationen ins Kraut schossen, sie könnte mit der Fünften und Sechsten verschmolzen werden. Und Mondbrut hatte sich nach Süden, über das Tahlyn-Gebirge zum Azur-See zurückgezogen; die fliegende Festung hatte eine Rauchfahne hinter sich hergezogen und nach einer Seite übergehangen wie eine verbrauchte Gewitterwolke. Doch eine Geschichte hatte den Hauptmann tiefer berührt als alle anderen: Die Brückenverbrenner waren dahin. Einige Gerüchte besagten, sie wären bis auf den letzten Mann getötet worden; andere behaupteten, dass noch ein paar Trupps aus den Tunneln herausgekommen wären, bevor alles zusammengestürzt war.
Paran war unzufrieden. Er hatte sich tagelang unter Moranth aufgehalten. Die unheimlichen Krieger sprachen so gut wie nie - und wenn sie es doch taten, unterhielten sie sich untereinander in ihrer völlig unverständlichen Sprache. Alle Informationen, die er besaß, waren veraltet, und das brachte ihn in eine ungewohnte Situation. Mach dir nichts draus, dachte er, schließlich war er seit Genabaris von einer ungewohnten Situation in die nächste geraten.
Nun war er also hier, und einmal mehr hieß es warten. Er rückte seinen Reisesack zurecht und richtete sich bereits auf eine längere Wartezeit ein, als er sah, wie ein Reiter in einiger Entfernung auf
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