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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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schmerzten, ihre Muskeln waren völlig verspannt. Die Begegnung mit Bellurdan hatte sie erschüttert, und sie fühlte sich dem, was gleich kommen würde, nicht gewachsen.
    »Brückenverbrenner«, murmelte der Hohemagier.
    Überrascht runzelte die Zauberin die Stirn; dann trat sie vor und stellte sich neben Tayschrenn. Von einem Hügel rechts von ihnen -einem Hügel, den Flickenseel nur zu gut kannte - ritten einige Soldaten herunter. Selbst aus dieser Entfernung konnte sie vier von ihnen erkennen: den Schnellen Ben, Kalam, Elster und diese neue Rekrutin, Leida. Der fünfte Reiter war ein kleiner, drahtiger Mann, dem man unschwer den Sappeur ansehen konnte. »Aha«, meinte sie, Desinteresse heuchelnd.
    »Elsters Trupp«, sagte Tayschrenn. Er wandte sich um und blickte Flickenseel an. »Der gleiche Trupp, mit dem Ihr gesprochen habt, kurz nachdem sich Mondbrut zurückgezogen hatte.« Der Hohemagier lächelte, klopfte ihr auf die Schulter. »Kommt. Ich brauche eine Weissagung. Lasst uns anfangen.« Er ging zu dem Tisch hinüber. »Oponns Stränge verflechten sich zu einem eigenartigen Labyrinth, ihr Einfluss umstrickt mich wieder und wieder.« Er drehte den Rücken zur Mauer und setzte sich in eine Schießscharte. »Flickenseel«, sagte er nüchtern, während er zu ihr aufblickte, »in allem, was das Imperium angeht, bin ich der Diener der Imperatrix.«
    Flickenseel erinnerte sich an ihren Streit bei der letzten Besprechung. Kein Einziger der Streitpunkte hatte sich aufgelöst. »Vielleicht sollte ich mich dann bei ihr beschweren.«
    Tayschrenn zog eine Augenbraue hoch. »Ich nehme an, das sollte sarkastisch sein.«
    »So, tut Ihr das?«
    »Ja, das tue ich, und Ihr solltet dafür dankbar sein«, sagte der Hohemagier steif.
    Flickenseel zog ihr Spiel heraus und hielt es sich gegen den Bauch, betastete mit den Fingern die oberste Karte des Stapels. Kühle; ein Gefühl von großer Bedeutung und Dunkelheit. Sie legte die Karten in die Mitte der Tischplatte und kniete sich langsam hin. Dann suchte sie Tayschrenns Blick. »Sollen wir anfangen?«
    »Erzählt mir von der sich drehenden Münze.«
    Flickenseel stockte der Atem. Sie konnte sich nicht bewegen.
    »Die erste Karte«, kommandierte Tayschrenn.
    Mit einiger Anstrengung stieß sie seufzend die Luft aus und verfluchte ihn insgeheim. Das Echo eines Gelächters erklang in ihrem Kopf, und sie spürte, dass jemand - oder etwas - den Weg zu ihr geöffnet hatte. Ein Aufgestiegener bediente sich ihrer, seine Präsenz war kühl und amüsiert, fast launisch. Ihre Augen schlossen sich von selbst, und sie griff nach der ersten Karte. Sie schnippte sie fast willkürlich nach rechts. Mit noch immer geschlossenen Augen glitt ein Lächeln über ihre Züge. »Eine neutrale Karte: Das Auge. Göttliches Strafgericht und wahre Sicht.« Sie warf die zweite Karte auf die linke Seite des Spielfelds. »Die Jungfrau, Hohes Haus Tod. Gezeichnet und mit verbundenen Augen, mit Blut an ihren Händen.«
    Ganz schwach, wie aus großer Entfernung, drang Hufgetrappel an ihr Ohr, donnerte näher heran, ertönte jetzt unter ihr, als ob die Erde Pferde und Reiter verschlungen hätte. Dann erklang das Geräusch von neuem, diesmal hinter ihr. Sie nickte unmerklich. Die Rekrutin. »Das Blut an ihren Händen ist nicht ihr eigenes, das Verbrechen nicht um seiner selbst willen geschehen. Die Binde um ihre Augen ist nass.«
    Sie knallte die dritte Karte direkt vor sich auf den Tisch. Vor ihrem geistigen Auge stieg ein Bild auf, und mit ihm Kälte und Furcht. »Der Assassine, Hohes Haus Schatten. Das Seil, eine unendliche Anzahl von Knoten, der Schirmherr der Assassinen, ist in diesem Spiel.« Einen kurzen Augenblick lang glaubte sie das Geheul von Hunden zu hören. Sie legte eine Hand auf die vierte Karte; sie erkannte sie wieder, und ein Schauer durchrann sie, gefolgt von einem Gefühl falscher Bescheidenheit. »Oponn, die Lady ist oben, der Lord unten.« Sie nahm die Karte und legte sie gegenüber Tayschrenn ab.
    Da hast du deinen Block. Sie lächelte innerlich. An dem kannst du ruhig ein bisschen herumkauen, Hohemagier. Die Lady betrachtet dich mit Missfallen. Flickenseel wusste, dass Tayschrenn die Fragen auf der Zunge brennen mussten, doch sie wusste auch, dass er sie nicht stellen würde. Hinter dieser Eröffnung steckte viel zu viel Macht. Hatte er die Gegenwart des Aufgestiegenen gespürt? Sie fragte sich, ob ihn das erschreckte.
    »Die Münze dreht sich weiter, Hohemagier«, hörte sie sich sagen. »Ihr

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