Die Gärten des Mondes
der auf dem Rücken lag und die Beine in die Luft streckte. Der Dieb setzte in großen Sprüngen die Treppe hinauf und stieß die Tür auf.
Eine Woge aus Licht und Lärm schlug über ihm zusammen - es erschien ihm wie der reinste Balsam. Er knallte die Tür hinter sich zu und lehnte sich dagegen. Dann schloss er die Augen, zog sich die Maske vom Kopf und enthüllte schulterlanges, im Augenblick schweißnasses Haar und ebenmäßige Gesichtszüge mit sehr hellen blauen Augen.
Noch während er sich mit einem Arm über die Stirn wischte, wurde ihm ein Becher in die Hand gedrückt. Crokus öffnete die Augen und sah Salli vorbeihuschen, in einer Hand ein Tablett mit Zinnkrügen. Sie sah ihn über die Schulter an und grinste. »Na, harte Nacht gehabt, Crokus?«
Er starrte sie an. »Nein, nichts Besonderes«, erwiderte er schließlich. Er setzte den Becher an die Lippen und trank einen gewaltigen Schluck.
Auf der dem baufälligen Gasthaus namens Phoenix gegenüberliegenden Straßenseite stand ein Jäger am Rand des Daches und beobachtete die Tür, durch die der Dieb gerade hindurchgeschlüpft war. Er hielt eine Armbrust in den Händen.
Der zweite Jäger gesellte sich zu ihm. Er schob die beiden langen Messer zurück in die Scheiden, während er zu seinem Gefährten trat.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte der erste Jäger leise in jener Sprache, die er schon als Kind gelernt hatte.
»Ich hatte einen Streit mit einer Katze.«
.Einen kurzen Moment lang schwiegen beide, dann seufzte der erste Jäger besorgt. »Alles in allem ist hier zu viel schief gegangen, als dass es natürlich sein könnte.«
»Du hast also die Veränderung im Gewebe der Welt auch gespürt.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Ein Aufgestiegener hat sich ... eingemischt. Doch er war zu vorsichtig, um sich richtig zu zeigen.«
»Wie schade. Es ist Jahre her, seit ich das letzte Mal einen Aufgestiegenen getötet habe.«
Sie überprüften ihre Waffen. Der erste Jäger machte die Armbrust schussbereit und steckte vier Bolzen griffbereit in seinen Gürtel. Der zweite Jäger zog die beiden Messer aus ihren Scheiden und reinigte sie sorgfältig.
Sie hörten, wie sich hinter ihnen jemand näherte. Als sie sich umdrehten, stand ihre Anführerin vor ihnen.
»Er ist in dem Gasthaus«, sagte der zweite Jäger.
»Wir werden keine Zeugen hinterlassen, die etwas von dem geheimen Krieg mit der Gilde mitbekommen haben«, fügte der Erste hinzu.
Die Anführerin starrte auf die Tür der Schenke. »Nein«, sagte sie, als sie sich schließlich zu den Jägern umdrehte. »Die lose Zunge eines Zeugen könnte unseren Bemühungen sogar entgegenkommen.«
»Das Bürschchen hatte Hilfe«, sagte der erste Jäger in bedeutungsvollem Tonfall.
Die Anführerin schüttelte den Kopf. »Wir kehren in den Schoß des Heims zurück.«
»Nun gut.«
Die beiden Jäger steckten ihre Waffen weg. Der Erste warf noch einmal einen Blick zum Gasthaus hinüber. »Wer hat ihn wohl beschützt?«
Der zweite Jäger grinste. »Jemand mit einem ausgeprägten Sinn für Humor.«
Kapitel Sechs
Dort atmet ein geheimer Zirkel
tiefer als jeder Blasebalg
und bringt das smaragdgrüne Feuer
unter regennassen Pflastersteinen herauf,
vielleicht hörst du das Stöhnen
aus den Kavernen dort unten,
doch das Wispern der Zauberei
ist weniger als der ersterbende Seufzer
eines Diebes, der unfreiwillig
in Darujhistans geheimes Netz gestolpert ist...
Der Zirkel (Fragment)
Pfütze (geb. 1122?)
D ie gespreizte Spitze von Schartekes rechtem Flügel streifte den zerklüfteten schwarzen Felsen, als sie sich in den pfeifenden Aufwinden von Mondbrut nach oben schraubte. Ihre ruhelosen Brüder und Schwestern riefen aus den düsteren Höhlen und von den sternenhellen Gesimsen nach ihr, als sie an ihnen vorbeiglitt. »Fliegen wir?«, fragten sie. Doch Scharteke antwortete nicht. Ihre glänzenden schwarzen Augen waren unverwandt auf das Himmelsgewölbe gerichtet. Ihre gewaltigen Schwingen trommelten eine donnernde, sich immer wiederholende Melodie von machtvoller, unbeugsamer Kraft. Sie hatte keine Zeit für das nervöse Gekrächze der Jungen; hatte keine Zeit, ihren schlichten Bedürfnissen mit jener Weisheit zu antworten, die sie in mehr als tausend Jahren erworben hatte. Heute Nacht flog Scharteke für ihren Herrn. Als sie über die zerschmetterten Gipfel von Mondbruts oberstem Grat hinausglitt, strich eine heftige Böe über ihre Schwingen, zerrte kalt an ihren öligen Federn.
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