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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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unbemerkt an der Verteidigung der Stadt zu arbeiten. Und außerdem stellte sich immer wieder die gleiche Frage: Benutzte dieser Aal womöglich auch ihn?
    Merkwürdigerweise machte er sich wegen dieser Möglichkeit keine allzu großen Sorgen. Dafür waren schon zu viele wichtige Informationen in seine Hände gelangt.
    Er faltete das Pergament sorgfältig zusammen und murmelte eine einfache Beschwörung. Das Blatt verschwand mit einem leisen Plop! Es befand sich jetzt mit vielen anderen an einem sicheren Ort.
    Baruk schloss die Augen. Hinter ihm klapperten die breiten Fensterläden in einer Windböe, kamen dann wieder zur Ruhe. Einen Augenblick später erklang ein scharfes Klopfen an dem rauchigen Glas. Baruk schoss kerzengerade in die Höhe, die Augen vor Überraschung weit aufgerissen. Ein zweites Klopfen, noch lauter als das erste, ließ ihn mit einer Behendigkeit herumwirbeln, die für jemanden mit seinem Leibesumfang mehr als ungewöhnlich war. Einen Augenblick stand er starr da und schaute zum Fenster. Auf dem Sims hockte etwas, das durch die Fensterläden nur als massiger schwarzer Schatten zu erkennen war.
    Baruk runzelte die Stirn. Das war unmöglich! Nichts und niemand konnte seine magischen Barrieren durchdringen, ohne dass er es bemerkte. Der Alchemist machte eine Bewegung mit der Hand, und die Fensterläden sprangen auf. Hinter der Scheibe saß ein Großer Rabe. Er drehte den Kopf, um Baruk erst mit dem einen Auge, dann mit dem anderen zu beäugen. Dann warf er sich mit seiner kräftigen Brust heftig gegen das dünne Glas. Die Scheibe wölbte sich nach innen und barst.
    Baruk hob die Hände. Er hatte sein Gewirr weit geöffnet und bereits zu einem vernichtenden Zauberspruch angesetzt.
    »Vergeudet Euren Atem nicht!«, krächzte der Große Rabe. Er reckte die Brust und sträubte die Federn, um vielleicht noch im Gefieder steckende Glassplitter loszuwerden. Dann neigte er den Kopf. »Ihr habt Eure Wachen gerufen«, stellte er fest. »Dazu besteht keine Veranlassung, Zauberer.« Mit einem einzigen Satz hüpfte der riesige Vogel auf den Fußboden. »Ich bringe Euch eine Botschaft, die Ihr wertschätzen werdet. Habt Ihr etwas zu essen?«
    Baruk musterte den Großen Raben sorgfältig. »Ich pflege normalerweise keine Großen Raben in mein Heim einzuladen«, sagte er schließlich. »Aber du bist wohl zumindest kein verkleideter Dämon.«
    »Natürlich nicht. Ich werde Scharteke genannt.« Sie neigte spöttisch den Kopf. »Zu Euren Diensten, mein Herr.«
    Baruk zögerte. Er dachte nach. Schließlich seufzte er und sagte: »Nun gut. Ich habe meine Wachen auf ihre Posten zurückgeschickt. Mein Diener Roald wird dir die Reste des Abendessens bringen, wenn du damit einverstanden bist.«
    »Hervorragend!« Scharteke watschelte zum Kaminvorleger hinüber und ließ sich darauf nieder. »So, mein Herr. Jetzt fehlt nur noch ein beruhigender Becher Wein, meint Ihr nicht auch?«
    »Wer hat dich geschickt, Scharteke?«, frage Baruk, während er zu seinem Schreibtisch hinüberging, auf dem eine Karaffe stand. Normalerweise trank er nach Sonnenuntergang nichts mehr, denn er arbeitete gewöhnlich nachts, doch er musste Schartekes Scharfsichtigkeit anerkennen. Ein beruhigender Schluck war jetzt genau das Richtige.
    Der Große Rabe zögerte nur kurz mit der Antwort. »Der Herr von Mondbrut.«
    Baruk hielt unwillkürlich mitten im Einschenken inne. »Ich verstehe«, sagte er leise und mühte sich, sein plötzlich wild pochendes Herz zu beruhigen. Langsam setzte er die Karaffe ab und hob das Glas mit einer äußerst beherrschten Bewegung an die Lippen. Die Flüssigkeit fühlte sich kühl auf seiner Zunge an, und als sie seine Kehle hinunterrann, wurde er tatsächlich etwas ruhiger. »Nun denn«, sagte er und drehte sich zu Scharteke um, »was könnte dein Herr wohl von einem friedlichen Alchemisten wollen?«
    Schartekes zerschrammter Schnabel öffnete sich. Es dauerte einen Augenblick, ehe Baruk begriff, dass sie lautlos lachte. Der Vogel fixierte ihn mit einem glitzernden Auge. »Ihr habt Euch die Antwort schon fast selbst gegeben, Herr. Frieden. Mein Herr wünscht Euch zu sprechen. Er möchte herkommen, noch in dieser Nacht, in dieser Stunde.«
    »Ich nehme an, du sollst auf meine Antwort warten.«
    »Nur, wenn Ihr Euch schnell entscheidet, Herr. Ich habe schließlich noch andere Aufgaben zu erledigen. Ich bin mehr als eine einfache Botin. Jene, die die Weisheit in meinen Worten erkennen, schätzen mich sehr. Ich bin Scharteke,

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