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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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aus der Dunkelheit zu der Ersten gesellte. Dann kam eine dritte Gestalt ebenfalls schweigend herabgeglitten, landete auf dem gleichen Dach. Sie sprachen kurz miteinander. Der Neuankömmling murmelte einen Befehl und verschwand wieder. Die beiden, die zurückgeblieben waren, wechselten noch ein paar Worte und folgten dann der Fährte des Diebes. Einer von ihnen machte dabei seine Armbrust bereit.
    Zehn Minuten später lehnte sich Crokus an das schräge Dach eines Kaufmannshauses und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Er hatte niemanden gesehen, nichts gehört. Entweder hatte der Mörder ihn nicht verfolgt, oder es war ihm gelungen, ihn abzuschütteln. Oder sie. Vor seinem geistigen Auge tauchte noch einmal das Bild auf, wie die Gestalt dort oben im Glockenturm gestanden hatte. Nein, er glaubte nicht, dass es eine Frau gewesen war; dafür war die Gestalt zu groß - vielleicht sechseinhalb Fuß - und zu dünn gewesen.
    Ein Schauder überlief den jungen Dieb. Wo war er da bloß hineingeraten? Ein Assassine hätte ihn beinahe erschossen - und war dann selbst getötet worden. War hier ein Gildenkrieg im Gange? Wenn dem so war, machte das die Dächer zu einem gefährlichen Ort...
    Vorsichtig richtete Crokus sich auf und schaute sich um.
    Ein Stück entfernt rutschte ein Ziegel scheppernd die Dachschräge hinunter. Crokus wirbelte herum und sah den Mörder auf sich zuspringen. Ein Blick auf die beiden aufblitzenden Dolche genügte; dann schoss der Dieb auch schon in Richtung Dachkante davon und sprang in die Dunkelheit.
    Das Gebäude auf der anderen Straßenseite war zu weit weg, doch Crokus hatte sich ein bekanntes Territorium ausgesucht, um Rast zu machen. Während er in die Dunkelheit fiel, streckte er die Hände aus. Der Draht traf seine Arme in Höhe der Ellbogen, und er suchte verzweifelt nach einem festen Halt. Augenblicke später baumelte er zwanzig Fuß über dem Gässchen.
    Während die meisten Wäscheleinen, die sich über die Straßen der Stadt spannten, aus dünnen Hanfseilen bestanden, gab es auch einige aus umwickeltem Draht. Schon vor Generationen von Dieben installiert, waren sie fest in den Wänden verankert. Bei Tag sah die Affenstraße, wie die Diebe sie nannten, kein bisschen anders aus als die übrigen, mit Unterwäsche und Laken beflaggten Wäscheleinen. Doch sobald die Sonne untergegangen war, erfüllte sie ihren wirklichen Zweck.
    Mit wund gescheuerten Händen hangelte sich Crokus den Draht entlang auf die gegenüberliegende Wand zu. Zufällig blickte er nach oben - und erstarrte. An der Dachkante des Gebäudes vor ihm stand ein zweiter Jäger und zielte sorgfältig mit einer schweren, altertümlichen Armbrust.
    Crokus ließ den Draht los. Ein Geschoss zischte eine Handbreit über seinen Kopf, während er in die Tiefe stürzte. Irgendwo hinter und unter ihm klirrte eine Fensterscheibe. Sein Fall wurde von einer Reihe von Wäscheleinen gebremst, die an Armen und Beinen zerrten und ihn hin und her warfen, ehe sie rissen. Ihm schien, als dauerte sein Sturz eine Ewigkeit, eine einzige Abfolge von schmerzhaften Stößen und den Peitschenhieben der Wäscheleinen, die durch die Kleidung gingen und Striemen auf seiner Haut hinterließen. Doch schließlich prallte Crokus mit ausgestreckten Beinen und vornübergebeugt auf den Pflastersteinen auf. Er federte in die Knie und tauchte mit einer Schulter so tief weg, dass er sich zur Seite abrollen konnte - zumindest so lange, bis sein Kopf gegen eine Mauer knallte.
    Benommen kämpfte Crokus sich ächzend wieder auf die Beine. Mit dröhnendem Schädel schaute er nach oben. Direkt über sich sah er verschwommen eine Gestalt unnatürlich langsam vom Dach herabschweben. Die Augen des Diebes weiteten sich. Zauberei!
    Er drehte sich um und machte ein paar wacklige, unsichere Schritte, schaffte es dann jedoch, in einen hinkenden Trott zu verfallen. Er erreichte die Ecke und geriet kurz in den Lichtschein der Gaslaternen, als er eilig eine breite Straße überquerte und in der Mündung des nächsten Gässchens verschwand. Sobald er wieder im Schatten war, blieb Crokus stehen. Vorsichtig schob er seinen Kopf um die Ecke, um einen Blick zurückzuwerfen. Ein Armbrustbolzen krachte dicht neben seinem Gesicht gegen die Wand. Er zuckte zurück, wirbelte herum und rannte los, tiefer in das Gässchen hinein.
    Über sich hörte Crokus das Flattern eines Umhangs. Ein brennender Schmerz an seiner linken Hüfte ließ ihn ins Stolpern geraten. Ein weiterer Bolzen zischte knapp an

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