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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Höhe, das flache Dach keine sechs Fuß entfernt. Der Dieb blieb kurz an der Kante stehen und spähte in das Gässchen hinunter, das dreißig Fuß unter ihm lag. Er konnte zwar nur einen Teich aus Schwärze sehen, doch er sprang dennoch und landete leise auf dem nächsten Dach.
    Er machte sich daran, es zu überqueren. Zu seiner Linken ragte die kahle Silhouette von K'ruls Glockenturm in die Höhe; es sah aus, als würde sich eine knochige Faust in den Nachthimmel recken. Crokus griff mit einer Hand nach der Ledertasche an seinem Gürtel, überprüfte mit flinken Fingern den Knoten und den Zustand der Schnüre. Zufrieden damit, dass sie fest verknotet waren, tastete er auch nach dem Turban, der hinter einem der Riemen seines Kreuzgurtes steckte. Alles war in Ordnung. Er setzte seinen lautlosen Marsch über das Dach fort.
    Es war wirklich eine wunderbare Nacht. Crokus grinste in sich hinein.
     
    Talo Krafar öffnete die Augen. Benommen und verständnislos sah er sich um. Wo war er? Warum fühlte er sich so schwach? Dann kehrte die Erinnerung zurück, und ein Stöhnen drang über seine Lippen. Er war ohnmächtig geworden, während er hier an dieser Marmorsäule gelehnt hatte. Aber was hatte ihn aufgeweckt? Mit steifen Gliedern zog sich der Assassine an der staubigen Säule hoch und spähte zu den Dächern hinunter. Da! Eine Gestalt bewegte sich über das flache Dach eines Gebäudes, das keine fünfzig Fuß entfernt war.
    Jetzt, du verdammter Bastard! Jetzt hab ich dich. Er hob seine Armbrust, stützte einen Ellbogen gegen die Säule. Er hatte die Waffe bereits gespannt, auch wenn er sich nicht mehr daran erinnern konnte, wann er das getan hatte. Auf diese Entfernung konnte er den anderen nicht verfehlen. In wenigen Sekunden würde sein Verfolger tot sein. Talo fletschte die Zähne und zielte sorgfältig.
    Crokus hatte das Dach zur Hälfte überquert - eine Hand spielte die ganze Zeit mit dem Seidenstoff des Turbans, den er behaglich an seiner Brust spürte -, als eine Münze laut klimpernd vor seinen Füßen landete. Instinktiv beugte er sich hinab und fing sie mit beiden Händen auf. Etwas surrte knapp über seinem Kopf durch die Luft, und er blickte verblüfft auf, duckte sich jedoch sofort wieder, als zwanzig Fuß weiter ein emaillierter Ziegel zerbarst.
    Er stöhnte auf, als er schlagartig begriff, was das Geräusch bedeutete. Während er sich wieder aufrappelte, steckte er die Münze in den Gürtel, ohne dass es ihm bewusst wurde.
    Talo fluchte ungläubig. Er senkte die Armbrust und starrte völlig verblüfft auf die Gestalt hinunter, als sein Instinkt für Gefahr sich ein letztes Mal meldete. Noch während er herumwirbelte, erhaschte er aus dem Augenwinkel einen Blick auf eine Gestalt in einem langen Umhang, die mit erhobenen Armen vor ihm stand. Dann fuhren die Arme blitzschnell herunter, und zwei lange, mit einer Blutrinne versehene Dolche gruben sich in seine Brust. Mit einem letzten verwirrten Grunzen starb der Assassine.
    Ein kratzendes Geräusch drang an Crokus' Ohren. Er drehte sich um und schaute zum Glockenturm hinüber. Eine schwarze Gestalt stürzte taumelnd zwischen den Säulen herab und landete mit einem dumpfen Aufprall vielleicht fünfzehn Fuß entfernt auf dem Dach. Augenblicke später klirrte eine Armbrust auf die Ziegel. Als Crokus nach oben blickte, konnte er zwischen den Säulen eine Gestalt erkennen, die zwei Messer mit langen, glänzenden Klingen in den Händen hielt. Die Gestalt schien ihn zu mustern.
    »Oh, Mowri«, betete der Dieb, dann drehte er sich um und rannte davon.
     
    Vom Glockenturm aus sah der Mörder aus merkwürdig geformten Augen zu, wie der Dieb sich eilig zur entfernten Seite des Daches davonmachte. Der Mörder hob leicht den Kopf und sog schnüffelnd die Luft ein, runzelte dann die Stirn. Ein Ausbruch von Macht hatte gerade das Gewebe der Nacht zerfetzt, wie ein Finger, der sich durch verrotteten Stoff bohrt. Und etwas war durch den Spalt gekommen.
    Der Dieb erreichte den Rand des Dachs und verschwand dahinter. Der Mörder zischte ein magisches Wort in einer Sprache, die älter war als der Glockenturm und der Tempel, einer Sprache, die in diesem Land seit Jahrtausenden nicht mehr gehört worden war, und sprang dann vom Turm. Von Magie umgeben, glitt der Mörder langsam und kontrolliert zu dem unter ihm liegenden Dach hinunter. Sanft setzte er auf den Ziegeln auf.
    Eine zweite Gestalt erschien; ihr Umhang bauschte sich wie schwarze Schwingen, als sie sich von irgendwoher

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