Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
Vom Netzwerk:
heißt ja, Freude hat noch niemanden umgebracht.«
    Diese Neuigkeit veranlaßte Abby, stehenzubleiben, da sie das Gefühl hatte, es sei nicht die richtige Zeit für ihren Besuch. Gerade als sie wieder gehen wollte, hörte sie jedoch ihren Namen rufen, und als sie aufblickte, sah sie Mrs. Grayshott auf dem Treppenabsatz stehen und sie lächelnd begrüßen.
    »Komm herauf, Abby!« sagte sie. »Ich habe dich vom Fenster aus gesehen und vermutet, daß du wieder umkehren würdest, wenn du erfährst, was geschehen ist. Oh, meine Liebe, so eine wunder-, wunderbare Überraschung! Ich kann es noch kaum glauben, daß ich ihn wieder bei mir habe.«
    »Wirklich!« antwortete Abby herzlich. »Ich freue mich so – ich bin glücklich für Sie! Aber Sie werden doch keine lästigen Morgenbesuche empfangen wollen!«
    »Das könntest du nie sein. Ich habe schon einen, Mrs. Ancrum, aber ich hoffe, sie geht bald wieder. Denn ich möchte, daß vor allem du Oliver kennenlernst, und muß dir auch von einem sehr überraschenden Umstand erzählen – aber das muß warten, bis wir Mrs. Ancrum los sind.«
    Sie hielt einladend die Hand ausgestreckt, während sie sprach, aber eben, als Abby den Fuß auf die Stufe setzte, kamen zwei weitere Besucherinnen: Lady Weaversham in Begleitung von Miss Sophia Weaversham.
    Fliehen war unmöglich: Mrs. Grayshott blieb nichts übrig, als die Neuankömmlinge zu bitten, hinaufzukommen. Lady Weaversham, eine ungeheuer dicke Dame, strahlte vor Gutmütigkeit, als sie sich ziemlich atemlos die Halbtreppe hinaufstemmte, und versicherte, sie würden nur eine Minute bleiben. Aber als sie die Nachricht von der glücklichen Heimkehr Olivers gehört hatte, habe sie das Gefühl gehabt, sie müsse Mrs. Grayshott wenigstens kurz aufsuchen, um sie zu beglückwünschen. »Und hier ist, wie ich sehe, zweifellos aus dem gleichen Grund auch Miss Wendover!« sagte sie, blieb stehen, um Atem zu schöpfen und streckte die in lavendelblaues Ziegenleder gekleidete Hand aus. »Und wie geht es Ihnen, meine Liebe? Nicht daß ich erst fragen müßte, denn ich merke ja, daß Sie blühend aussehen, und wenn Sie diesen köstlichen Hut nicht in London erstanden haben, dann will ich Dummkopf heißen. Was zwar Sir Joshua ohnehin immer von mir behauptet. Aber ich bin wirklich schon aus den Kinderschuhen und erkenne den Hauch der Großstadt auf den ersten Blick!« Dann sah sie aus ihren kleinen Zwinkeraugen prüfend Mrs. Grayshott an und sagte: »Und Sie sehen ebenfalls bestens aus, Ma’am, was ja nicht erstaunlich ist. So wäre es auch bei mir, gäbe man mir Jack zurück, wenn ich schon fast meine Trauerkleidung bestellen wollte! Jetzt erzählen Sie mir – wie geht’s ihm eigentlich?«
    »Nicht so gut, wie ich es wünschen würde«, antwortete Mrs. Grayshott und half ihr, die letzten Stufen emporzusteigen. »Aber Sie werden sehen, wie schnell er sich erholen wird! Nur werden Sie bestimmt im Augenblick meinen, ich stelle Ihnen ein Skelett vor.«
    Wenn Mr. Oliver Grayshott auch nicht gerade ein Skelett war, so doch ein sehr magerer junger Mann, und als er sich von seinem Lehnstuhl hochzog, um die Besucherinnen zu begrüßen, sah Abby, daß er auch sehr groß war. Er hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht, durchdringende Augen, einen ausdrucksvollen Mund, und unter dem angeborenen Ernst seines Ausdrucks lag Humor in seinem Blick. Als Abby ihm die Hand reichte, dachte sie, daß er älter als seine zweiundzwanzig Jahre aussehe, aber vielleicht waren die katastrophalen Folgen seines Aufenthaltes in Indien an den hohlen Wangen und den winzigen Linien in den Augenwinkeln schuld. Er benahm sich sicher, jedoch mit einer Spur der Schüchternheit eines streng erzogenen Jungen. Auf Lady Weavershams Flut von Fragen und Ausrufen antwortete er mit der Höflichkeit eines erfahrenen Weltmannes, seine Jugend verriet sich jedoch in dem schnellen Erröten und gestammelten Protest gegen ihre inständige Bitte, sich aufs Sofa zu legen.
    Abby meinte, eine einzige zungenfertige ältere Dame genüge für einen Rekonvaleszenten völlig, und verwickelte daher Mrs. Ancrum, eine fast ebenso überwältigende Besucherin wie Lady Weaversham, angelegentlich in ein belangloses Gespräch. Mit geheucheltem Interesse hörte sie sich eben einen Bericht über die Komplikationen bei der Geburt von Mrs. Ancrums erstem Enkel an, der ihr in ernstem Geflüster mitgeteilt wurde, als sich die Tür öffnete und Mr. Calverleigh gemeldet wurde.
    Erschrocken sah Abby schnell über die

Weitere Kostenlose Bücher