Die galante Entführung
dir gar nicht guttun würde, wenn es mir beliebte, dich Miss Abigail Wendover zu empfehlen.«
»Auf Sie würde sie hören«, drang Stacy in ihn. »Und wenn man die dazu bringen könnte, der Heirat zuzustimmen, dann zweifle ich nicht daran, daß auch Wendover es täte. Er kümmert sich nicht um Fanny – hat es nie getan! Und seine Frau mag Fanny nicht. Sie wird sie nächstes Jahr bestimmt nicht debütieren lassen. Ich wette mit Ihnen um eine Guinee, daß sie froh wäre, Fanny sicher unter der Haube zu sehen, bevor sie ihre eigene Tochter herausbringt.«
»Warum dann deine Redegabe auf mich verschwenden? Wende dich doch an Mrs. James Wendover.«
»Mit Miss Abigail gegen mich?« sagte Stacy verächtlich. »So ein Tölpel bin ich nicht!«
»Mein guter Junge, wenn du dir vorstellst, daß James Wendover sich von seiner Schwester oder sonst jemandem überreden ließe, Fannys Heirat mit einem armen Schlucker zuzustimmen, dann bist du irre!« sagte Miles brutal.
Stacy leerte sein viertes Glas. »Was wetten Sie gegen die Chance, daß er sich zur Zustimmung gezwungen sieht?« fragte er mit leicht undeutlicher Aussprache.
»Muß ihn zwingen – nichts anderes zu machen, um mich zu rangieren.«
»Was ist mit Danescourt?«
Stacy starrte ihn ziemlich töricht an. »Danescourt?«
»Warum verkaufst du es nicht?« fragte Miles kühl.
»Es verkaufen! Ich werde es retten! Noch bevor sie die Hypotheken für verfallen erklären können!«
»So schlimm steht’s?«
»Ja, verdammt. Außerdem – ich will’s nicht verkaufen!«
»Warum nicht? Du hast mir gesagt, du haßt es!«
»Ja, aber es bedeutet etwas. Verleiht einem Ansehen. Herrensitz auf dem Land, wissen Sie – Calverleigh of Danescourt! Ohne das hat man keine Substanz – ginge mir der Atem aus!«
»Mir scheint, er ist dir bereits ausgegangen«, sagte sein Onkel spöttisch.
9
Mr. Stacy Calverleigh erwachte, nachdem er die Wirkung seiner Zecherei ausgeschlafen hatte, spät am folgenden Tag und mit einer nur sehr unklaren Erinnerung daran, was sich zwischen ihm und seinem Onkel zugetragen haben konnte. Er bildete sich so viel auf seine Fähigkeit ein, alle anderen unter den Tisch trinken zu können, daß er den Umstand, vom Hausdiener zu Bett gebracht worden zu sein, nur der üblen Qualität des vom Weißen Hirschen beigestellten Brandy zuschrieb. Als er zwei Tage später Mr. Miles Calverleigh in der Milsom Street begegnete, entschuldigte er sich lachend für die schlechte Qualität und deren Wirkung auf ihn selbst, die er als »leicht über Bord gegangen« bezeichnete. Er sprach heiter, aber unter seiner Sorglosigkeit lauerte die Angst, daß er sich zu Taktlosigkeiten hatte verleiten lassen. Er sagte, hoffentlich habe er nicht zuviel Unsinn geredet, und wurde durch die geradezu greifbare Interesselosigkeit seines Onkels beruhigt. Dann wagte er der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß Miles ihn den Damen am Sydney Place nicht verraten würde, indem er sagte: »Ich säße in den Nesseln, wenn Miss Abigail auch nur den leisesten Verdacht hätte, daß ich hie und da doch ein Glas über den Durst trinke!«
»Wie gut, daß du mich gewarnt hast!« antwortete Miles sardonisch. »Frauenzimmer mit Erzählungen über besoffenes Gefasel zu traktieren, gehört zu meinem Lieblingszeitvertreib.«
Er ließ Stacy mit seinem üblichen nachlässigen Nicken stehen und ging weiter seinem Ziel, der Trinkhalle, zu. Hier traf er alle Wendovers an: Abby lauschte mit dem Ausdruck höflichsten Interesses einer von General Exfords Anekdoten; Fanny stand bei einer Gruppe lebhafter junger Leute; und Selina, mit Miss Butterbank dicht an ihrer Seite, nahm die Glückwünsche ihrer Freunde entgegen, daß sie aus ihrer Abgeschlossenheit wieder aufgetaucht war. Nach einem amüsierten Blick in Abbys Richtung ging Miles auf Selina zu, begrüßte sie mit der Ungezwungenheit alter Freundschaft und sagte mit seinem anziehenden Lächeln: »Ich werde nicht fragen, wie es Ihnen geht, Ma’am; sich nach der Gesundheit einer Dame zu erkundigen bedeutet die stillschweigende Feststellung, daß ihr Aussehen nicht das beste ist. Ich hingegen kann deutlich sehen, daß Sie blühend aussehen.«
Sie hatte sein Herankommen ziemlich zweifelnd beobachtet, war aber für Schmeichelei durchaus nicht unempfänglich, obwohl sie sein Kompliment abwehrte, indem sie sagte: »Heiliger Himmel, in meinem Alter spricht man nicht mehr von blühend! Das war einmal – nicht daß ich je – ich meine, ich war nie mehr als gerade
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