Die galante Entführung
vorziehst, die du kennenlernen wirst, und er sich als ebenso beständig erweist, dann werden wir gegen die Heirat nichts einwenden.«
»Was – fast ein ganzes Jahr lang warten?« rief Fanny entgeistert. »O nein, nein, nein! Wenn du je geliebt hättest, dann könntest du nicht so herzlos sein!«
»Ich sehe nichts sehr Herzloses in dem Wunsch, daß du zumindest eine Londoner Saison genießt, bevor du dich in acht Jahre Armut begibst«, sagte Abby trocken.
»Das ist es nicht, was du wirklich wünschst!« sagte Fanny mit zitternder Stimme. »Du hast nur den Wunsch, mich von meinem geliebten Stacy fortzunehmen! Ich weiß genau, wie es wäre, wenn ich zustimmte. Du und Tante Mary, ihr würdet sehr aufpassen, daß ich ihn nicht einmal sehen kann. Ich bin überzeugt, ihr glaubt, daß ich ihn bald vergessen werde, aber das werde ich nicht. O Abby, Abby, ich habe geglaubt, du liebst mich!«
»Du weißt sehr gut, daß ich es tue.«
Aber Fanny schluckte die Tränen, schüttelte den Kopf und ritt schweigend weiter.
Mittlerweile bestellte Stacy, der um die Ehre gebeten hatte, seinen Onkel am selben Abend zum Diner zu bewirten, mit großer Umsicht jene Gerichte und Weine, die Mr. Miles am wahrscheinlichsten in eine milde Stimmung bringen würden. Nachdem er die Speisekarte geprüft und den Kellner damit gelangweilt hatte, daß er es sich dreimal anders überlegte, entschied er endlich zugunsten einer Suppe, danach Kalbslende, gefolgt von Rebhühnern, die mit geschmorten Pilzen und grünen Bohnen gereicht wurden, weiters Krebs, garniert, Leberpastetchen und eingelegten Artischockenböden. Dieses elegante Mahl wurde in seinem privaten Wohnzimmer serviert, und obwohl man von Miles, einem schwachen Esser, nicht behaupten konnte, daß er ihm volle Gerechtigkeit widerfahren ließ, weil er in dem Kalbfleisch herumstocherte und auf Krebse und Leberpastetchen verzichtete, so aß er doch zwei Rebhühner und erhob keinen Einspruch dagegen, daß sein Glas ständig nachgefüllt wurde.
Solange noch nicht abgedeckt und eine Flasche Brandy auf den Tisch gestellt worden war, beschränkte Stacy sein Gespräch auf Alltagsgerede, das zum Großteil aus Anekdoten aus der guten Gesellschaft und den letzten Leckerbissen Londoner Skandale bestand. Als jedoch der Kellner das Wohnzimmer verlassen hatte, gähnte Miles Calverleigh, schob den Stuhl zurück, streckte die Beine lang aus, überkreuzte sie an den Fesseln und sagte: »Mach’s kurz, Neffe! Du hast mich doch nicht hierher eingeladen, um mich mit Klatsch zu unterhalten. Was willst du von mir?«
»Guter Gott, nichts! Was sollte ich denn wollen?«
»Keine Ahnung. Oder was stellst du dir vor, daß ich für dich tun könnte oder wollte?«
Das klang nicht ermutigend, aber Stacy blieb standhaft. »Haben Sie nicht das Gefühl, daß wir einander kennenlernen sollten, Sir?«
»Nein. Warum?«
Stacy blinzelte. »Nun – unsere Verwandtschaft.«
»Verschwende keinen Gedanken daran. Verwandte sind todlangweilig.«
»Nicht Sie, Sir«, sagte Stacy mit seinem stets bereiten Lachen. »Ja, sogar weit entfernt davon. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oft ich in der letzten Woche Ihr Lob habe singen hören.«
»Nun versuch nur ja diese Tour nicht. Hoffst du, Geld von mir bor gen zu können?«
»Als wäre mir das eine große Hilfe! Ich vermute, Ihre Taschen sind ebenso löchrig wie die meinen!« sagte Stacy, leerte sein Glas Brandy und streckte die Hand nach der Flasche aus.
Miles, der sein Glas mit den Händen wärmte, sagte: »Da ich nicht weiß, wie weit deine Taschen Löcher haben – «
Er wurde unterbrochen: »Über und über!« sagte Stacy, wieder mit einem Lachen, das diesmal jedoch bar aller Heiterkeit war. »Ich bin erledigt.« Er wartete einen Augenblick, da er jedoch keine andere Antwort als einen höflich fragenden Blick von seinem gefühllosen Verwandten erhielt, fuhr er abgehackt fort: »Der Teufel saß in den Karten. Ja, und auch in den Würfeln! Ich brauche sie nur zu schütteln, und es wird der niedrigste Wurf daraus. Wenn es mir nicht gelingt, ein Ding zu drehen, bin ich erledigt.«
Mr. Miles Calverleigh hatte den Brandy zu seiner Zufriedenheit erwärmt, schnupperte an seinem Aroma und schlürfte ihn genießerisch. »Bestimmt ziehst du dich wieder heraus«, sagte er.
Zorn stieg in Stacy auf, und er wurde rot. »Nicht, wenn diese verfluchte Tante von Fanny etwas dazu zu sagen hat. Und jetzt erfahre ich noch von ihr, daß Fanny erst mit fünfundzwanzig großjährig wird!«
»Du wirst
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